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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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anderen überholte. Valsamis schaltete herunter und gab wieder Gas, holte noch zehn Stundenkilometer aus dem Motor heraus. Schon besser, dennoch würde es eine langsame Fahrt nach Süden. Dabei musste er schnell sein, wenn er vor Nicole in Lissabon sein wollte.
    Es war ein klarer Tag, der Himmel hell und wolkenlos, der Mont Canigou durch den rußigen Schleier der Abgase zu erkennen. Die Stadt versickerte in Ackerland und Weinbergen, die steinigen Felder waren noch kahl, vernarbt von den Furchen des Pfluges. Valsamis entspannte sich allmählich, holte das Wegwerfhandy, das er am Flughafen gekauft hatte, aus der Tasche und schaute nach, ob Nachrichten auf der Mailbox waren.
    Es gibt keine wertlosen Kontakte, hörte er Andy Sproul sagen. Der Rat eines Toten, das Erste, was Sproul ihm gesagt hatte, als Valsamis damals nach Beirut gekommen war. Valsamis hasste Ratschläge und hätte Sproul für seine Anmaßung hassen müssen. Grün hinter den Ohren wie die Getreidefelder in seinem heimischen Iowa, doch Sproul glaubte, alles zu wissen. Dennoch hatte Valsamis ihn nicht hassen können. Das war einfach nicht möglich.
    Und jetzt, so viele Jahre später, erinnerte er sich an diesen Ratschlag. Sprouls Geist lächelte ihm unter dem blonden Haarschopf zu und blätterte mit dem Daumen durch das Kartenspiel, das er immer bei sich trug. Für eine Partie 41 oder Basra mit den alten Männern, die den ganzen Tag in den Cafés an der Hamra verbrachten, war er immer zu haben gewesen und spielte wie ein Einheimischer. Er hatte natürlich recht gehabt: Es gab keine wertlosen Kontakte. Aber das hatte Valsamis auch schon lange vor Beirut gewusst.
    Er verdrängte die Erinnerung an Sproul und wählte die Nummer in Peshawar. Am anderen Ende der Welt klingelte ein Telefon. Sproul war nicht der einzige Geist, der ihn in den vergangenen Tagen heimgesucht hatte, und nicht alle Erinnerungen waren freundlich.
    Beim fünften Klingeln klickte es, und Valsamis hörte erleichtert die Stimme von Kamran Javed.
    »Ich bin’s wieder«, sagte er zu seinem alten Freund. »Irgendetwas Neues von Kanj?«
    »Er wurde gestern verlegt.«
    Ein Audi schoss links an seinem Twingo vorbei, und Valsamis umklammerte ganz fest das Lenkrad. »Wohin?«
    »Offiziell nach Amman. Ich habe dir schon gesagt, es war nur eine Frage der Zeit. Ich habe ihn so lange wie möglich hierbehalten.«
    Valsamis schaute auf seine Hand hinunter. Die Knöchel waren weiß, sein Arm zitterte. »Ja, ich weiß.« Doch bei sich dachte er, nicht lange genug.

Sechs
    Eine wunderschöne Zeit, pflegte meine Mutter zu sagen und meinte damit ihr Land zwischen dem Abzug der Amerikaner und dem Sechs-Tage-Krieg, bevor die Palästinenser von Süden in den Libanon strömten. Die Zeit, in der sie zur Frau wurde. In Beirut und an der ganzen Küste gab es französischen Champagner und amerikanische Musik, »Moon River« und Twist. Im Casino du Liban in Jounieh drängten sich Frauen in Dior-Kleidern um die Roulettetische, glitzernde Diamanten am Handgelenk, die bloßen Schultern von der mediterranen Sonne gebräunt.
    Für einige ernsthafte Studenten lag noch der Schatten von 1958 über dem Land. In den Cafés an der Hamra dröhnten Joan Baez und Bob Dylan aus knisternden Lautsprechern. Doch die meisten im Land hofften und redeten sich ein, der Friede könne von Dauer sein. Und mehr noch, es gab Geld. Geld, mit dem man ein letztes blindes Hurrageschrei im Angesicht des drohenden Bürgerkrieges finanzieren konnte.
    Für mich ist es schwer, mir das Leben im Libanon jener Jahre vorzustellen, denn ich kenne das Land nur durch die Filter von Kindheit und Krieg. Daher kann ich kaum begreifen, was meine Mutter und ihre Schwester so oft beschrieben haben, das Paradies der American University, wie sie es als Studentinnen erlebten. Schon als Kind verstand ich die Macht der Nostalgie und dass die Zeit die Erinnerungen reifen lässt. Schon damals war ich misstrauisch.
    »Wir gingen immer Arm in Arm«, sagte meine Tante Emilie, wenn sie von den Partys und Konzerten erzählte, den Professoren, die sie geärgert, und den Jungen, mit denen sie geflirtet hatten. Muslime, Christen und Drusen, alle vereint unter dem Banner von Jugend und Wohlstand. »Arm in Arm«, wiederholte sie und schaute meine Mutter auffordernd an. Sie waren selten einer Meinung. Meine Mutter nickte zwar, doch ich spürte, dass sie sich nicht ganz so sicher war.
    Als meine Mutter meinen Vater kennenlernte, hatten die Veränderungen im Libanon schon begonnen.

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