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Poseidons Gold

Titel: Poseidons Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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bacchantischen Redseligkeit übermannt. War er einmal in der Stimmung, hatte er sich entschlossen, sein Innerstes bloßzulegen, dann vertraute er sich wahllos jedem an, der ihm gerade über den Weg lief. Stundenlang konnte er einen dann vollabern – natürlich lauter dummes Zeug. »Hat er dir vielleicht sonst noch was offenbart?« fragte ich hoffnungsvoll.
    »Kein Sterbenswörtchen! Auf einmal war er stumm wie eine Auster. Dabei finden die meisten Leute, daß man sich bei mir ganz wunderbar aussprechen kann«, prahlte Lenia. Gerade noch rechtzeitig raffte ich mich zu einem liebenswürdigen Lächeln auf.
    »Und wie ging’s dann weiter?«
    »Irgendwann wurde er es leid, auf seinen heißgeliebten Bruder zu warten, der sich, statt heimzufinden, mit diesem Flittchen Marina vergnügte. Also hat er erst mich und dann dich verflucht, einen von meinen Waschtrögen ausgeborgt, und weg war er. Ach ja! Unter der Tür hat er noch was von ›dringenden Geschäften‹ gefaselt. Tags darauf hörte ich dann, er habe Rom verlassen. Na, und du hast dich danach ja auch sehr rar gemacht.«
    »Mein schlechtes Gewissen.« Ich grinste. »Hab mich in der Handelsgärtnerei versteckt, bis der Sturm vorüber war.«
    »In der Hoffnung, daß Marina plötzlich Gedächtnisschwäche kriegt?«
    »Mag schon sein. Aber wozu wollte Festus einen Waschzuber von dir?«
    »Juno, woher soll ich das wissen? Den Zuber habe ich übrigens wiedergekriegt. Der stand eines Morgens auf meiner Schwelle, ganz eingedreckt mit Schlamm oder Zement oder irgend so was.«
    »Dann hat Festus wohl seine Unterwäsche drin ausgespült … Warum hast du mir das alles nicht schon längst erzählt?«
    »Wozu? Du hättest dich doch nur unnötig aufgeregt.«
    Aber bestimmt nicht mehr als jetzt.
    Es war eine dieser banalen Ungereimtheiten, die einen, wenn man sie erst nach dem Tod eines geliebten Menschen erfährt, trotzdem verrückt machen können. Jetzt würde ich nie mehr erfahren, was Festus in jener Nacht gewollt hatte; es war zu spät, seine Sorgen zu teilen, ihm zu helfen. Lenia hatte recht. Besser, man erfuhr so was gar nicht erst.
     
    Unter einem Vorwand eiste ich mich (ausgiebig gähnend) los und torkelte hinauf in meine Wohnung.
    Sechs Treppen bieten sehr viel Zeit zum Nachdenken, aber diesmal war es trotzdem nicht genug.
    Ich hatte abwechselnd Sehnsucht nach meinem Bruder und einen gehörigen Haß auf ihn; ich fühlte mich müde und ausgelaugt, schmutzig, deprimiert, und außerdem fror ich ganz erbärmlich. Am liebsten hätte ich mich gleich hier im Treppenhaus hingehauen, wenn nur die Flure nicht so eisig kalt gewesen wären, und außerdem stank es entsetzlich nach altem Urin. Also schleppte ich mich weiter, meinem Bett entgegen, wohl wissend, daß ich es nur zu bald wieder verlassen mußte. Die Verzweiflung hatte meine Füße zu Blei werden lassen. Ich spürte vergebens einem unlösbaren Rätsel nach, während sich über meinem Kopf die Katastrophe zusammenbraute. Als ich endlich vor meiner Wohnung stand, wartete dort bereits neuer Ärger. Unter der schlecht schließenden Tür schimmerte ein Lichtstrahl durch. Das konnte nur eins bedeuten: Jemand war bei mir eingebrochen.
    Ich hatte bereits zuviel Lärm gemacht, als daß es sich jetzt noch gelohnt hätte, mich anzuschleichen, um den Dieb zu überraschen. Andererseits war ich zu betrunken für einen Streit und für einen Faustkampf zu erschöpft.
    Zum guten Schluß machte ich alles falsch: vergaß jede Vorsicht, versäumte es, mir für den Notfall einen Fluchtweg offenzuhalten. Ich war einfach zu müde und auch zu wütend, um meine eigenen Regeln zu beachten, und darum polterte ich schnurstracks hinein und schlug die Tür hinter mir zu.
    Ich starrte noch verdutzt auf die Lampe, die ganz dreist und unverhüllt auf dem Tisch brannte, als ein zartes Stimmchen aus dem Schlafzimmer ertönte: »Ich bin’s nur.«
    »Helena!« Vage erinnerte ich mich, sie unter anderem dafür zu lieben, daß sie so ein verblüffendes Talent hatte, mich zu überraschen. Barsch versuchte ich, den Nüchternen zu spielen.
    Um meinen Zustand zu kaschieren, löschte ich erst einmal das Licht. Dann schnallte ich den Gürtel ab und zog polternd die Stiefel aus. Es war eiskalt in der Bude, aber als Tribut an die zivilisierte Lebensart ließ ich doch ein paar meiner Hüllen fallen. Spätestens als ich ins Bett wankte, muß Helena gemerkt haben, wie es um mich stand. Ich hatte vergessen, daß es ein neues Bett war; in der Dunkelheit kam es mir auf dem

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