Poseidons Gold
Prinzessin. Ich mauserte mich allmählich zum Kenner. Das Carus-Modell war eine hellenistische Marmorstatue, deren Sinnlichkeit einem den Atem nahm. Diese Göttin war wirklich fast zu unzüchtig, um sie in einem Tempel zur Schau zu stellen. Hier stand sie, halb entkleidet, in der Mitte eines kreisrunden Teiches und blickte über eine makellose Schulter hinter sich, als wolle sie das Spiegelbild des eigenen und wirklich unübertrefflichen Popos bewundern. Die Lichtreflexe auf der blanken Wasserfläche schufen einen hinreißenden Kontrast zwischen ihrer wollüstigen Nacktheit und dem strengen Faltenwurf des Chitons, den sie eben erst zur Hälfte abgestreift hatte.
»Sehr hübsch«, sagte mein Vater. Und die Aphrodite blickte noch selbstgefälliger drein.
Carus’ fragender Blick ruhte auf mir.
»Einfach wunderschön! Ist das nicht eine Kopie der Venus auf dem Teich vor Neros Goldenem Haus?«
»O ja, ganz recht. Nero glaubte, das Original zu besitzen!« Das »glaubte« betonte Carus mit boshafter Verächtlichkeit. Dann blickte er lächelnd zu seiner Frau, und Servia lächelte zurück. Ich schloß daraus, daß Nero wohl falsch geglaubt hatte.
Einen anderen Sammler auszutricksen, machte diesen beiden offenbar noch mehr Freude als der Besitz dieses unvergleichlichen Kunstwerks. Die Erkenntnis deprimierte mich, denn natürlich würde das noble Paar sich auch einen Spaß daraus machen, Papa und mich auszutricksen.
Es war Zeit, zum Geschäft zu kommen.
Mein Vater hakte Carus unter und spazierte mit ihm um den Teich, während ich Servia in ein Gespräch über Belanglosigkeiten verwickelte. Wir hatten das vorher so vereinbart. Wenn zwei Mitglieder der Familie Didius irgendwo Besuch machen, dann wird es jedesmal spannend – was normalerweise schon mit dem endlosen Disput darüber beginnt, wann wir das Haus, in dem wir noch gar nicht angekommen sind, wieder verlassen wollen. Diesmal hatte Papa vorgeschlagen, daß wir zunächst, jeder für sich, unseren Charme an beiden Ehepartnern erproben und uns dann auf die wirksamste Strategie einigen sollten. Mein Versuch schlug kläglich fehl, denn ich kam mit der Dame keinen Schritt weiter. Es war, als ob man ein Kissen aufschüttelt, das schon die Hälfte seiner Daunen eingebüßt hat. Aber auch Papa geriet sichtlich in Bedrängnis, während er mit Carus fachsimpelte.
Nach einer Weile dirigierte Geminus den Hausherrn geschickt wieder zum Ausgangspunkt zurück, und wir inszenierten einen flinken Partnertausch. Jetzt investierte er alles, was ihm von seiner legendären Anziehungskraft auf die Frauen geblieben war, in unsere Gastgeberin, während ich ihren spindeldürren Gemahl beackerte. Verstohlen beobachtete ich, wie Papa die neben ihm herwatschelnde Servia mit ritterlicher Galanterie überschüttete. Und ich mußte lächeln, als ich sah, wie wenig Eindruck er damit auf die Dame machte.
Carus und ich schlenderten zu einer Steinbank, von der aus wir die Glanzstücke der Ausstellung in Muße betrachten konnten.
»Na, verstehen Sie denn was von Bildhauerei, junger Mann?« Er sprach mit mir, als wäre ich ein grüner Junge von achtzehn Jahren, der noch nie gesehen hat, wie eine Göttin sich entkleidet.
Dabei hatte ich schon mehr nackte Weiblichkeit begutachtet, als er in seiner ganzen Galerie besaß, und die meine war obendrein noch quicklebendig. Aber da ich ein Mann von Welt bin und kein angeberischer Barbar, ließ ich’s ihm durchgehen.
Dem Pförtner gegenüber hatten wir mich als den Juniorpartner des väterlichen Auktionshauses ausgewiesen. Also spielte ich brav den Tölpel und warf einen ersten Köder aus. »Ich weiß, daß gegenwärtig mit Kopien das große Geschäft zu machen ist. Originale kriegen wir derzeit nicht mal dann los, wenn wir sie im Fünferpack anbieten und noch einen Satz Bratpfannen draufgeben.«
Carus lachte. Er wußte, daß ich auf nichts so Bedeutendes wie einen echten Phidias anspielte. Den wäre natürlich jeder losgeworden und war es wohl auch schon.
Mein Vater verzweifelte noch schneller als ich an der Unmöglichkeit, Servia zu umgarnen, und beide gesellten sich bald wieder zu uns. Doch dieses Vorgeplänkel hatte immerhin die Spielregeln festgesetzt. Für Charme waren unsere Gastgeber unempfänglich. Leicht würden sie es uns nicht machen. Ergeben saßen Papa und ich nebeneinander und warteten darauf, daß die beiden uns Daumenschrauben anlegten.
»Tja, das sind eben die modernen Zeiten«, fuhr ich unverdrossen fort. »Heutzutage sind nur
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