Poseidons Gold
gesprochen. Ihr Gleichmut unserer Misere gegenüber verblüffte mich – und jagte mir einen Schauder über den Rücken.
Ich war schon an vielen Orten gewesen, wo es bedrohlicher zuging. Rauhe Gesellen, bewaffnet mit Messern oder Knüppeln, können einem ganz schön einheizen. Hier wurde nichts vergleichbar Martialisches aufgeboten, und doch war die Atmosphäre nicht minder zum Fürchten. Die Mimik unserer Gastgeber gab uns unerbittlich zu verstehen, daß man uns keine Wahl ließ: Entweder wir zahlten, oder es erginge uns schlecht – und zwar so lange, bis wir klein beigeben würden.
»So nehmen Sie doch Vernunft an«, bat ich. »Wir sind eine arme Familie. Eine solche Summe können wir einfach nicht auftreiben.«
»Aber das werden Sie müssen«, erwiderte Servia.
Wir konnten uns den Mund fusselig reden und alle nur erdenklichen Argumente bringen, ohne je zu einer Einigung mit diesen beiden Starrköpfen zu kommen. Ich fühlte mich dennoch bemüßigt, es weiter zu versuchen. »Rekapitulieren wir doch einmal die Ereignisse. Sie haben Festus die Statue bezahlt. Er bemühte sich redlich, sie nach Rom zu importieren, aber sein Schiff ging unter. Zu dem Zeitpunkt gehörte die Statue bereits Ihnen. Und folglich«, schloß ich beherzter, als mir zumute war, »haben Sie den Verlust zu tragen.«
Carus warf mir wieder Sand ins Getriebe. »Wir sind nie darüber informiert worden, daß die Statue sich bei Vertragsabschluß noch in Griechenland befand.«
Jetzt wurde es haarig! Mir sank der Mut, und ich fragte mich beklommen, welches Datum wohl auf der Quittung stehen mochte. Ja, ich überlegte sogar, ob mein unmöglicher Bruder es am Ende fertiggebracht hatte, den beiden den Phidias zu verkaufen, als er bereits wußte, daß die Statue auf dem Grund des Meeres lag. Ich zwang mich, Papa nicht anzusehen. Bestimmt wäre ihm das Datum aufgefallen, als er die Quittung einsah! Und bestimmt hätte er mich gegebenenfalls gewarnt!
Eines stand fest: Ich würde unsere Gläubiger mit der Nase auf Festus’ möglichen Betrug stoßen, wenn ich jetzt auch noch die Quittung zu sehen verlangte. Außerdem – falls Festus die beiden wirklich reingelegt hatte, wollte ich das lieber gar nicht wissen.
»Soll das heißen, Sie haben die Statue einfach unbesehen gekauft?« wurstelte ich aufs Geratewohl weiter.
»›Antike Marmorskulptur‹«, begann Carus eben jenes Vertragspapier zu zitieren, das ich lieber nicht unter die Lupe nehmen wollte. »›Ein Phidias, darstellend den Gott Poseidon … Heroengestalt, Antlitz geprägt von nobler Beschaulichkeit, griechisch gewandet, üppiger Haar- und Bartwuchs, circa zwei Meter groß, in der hoch erhobenen Rechten den Dreizack zum Wurfe erhoben …‹ Im übrigen«, setzte er in schneidendem Ton hinzu, »haben wir unsere eigenen Spediteure. Die Gebrüder Aristedon. Eine Firma, die unser vollstes Vertrauen genießt. Hätte man uns korrekt informiert, hätten wir persönlich Vorkehrungen für den Import getroffen. Und dann – aber nur dann! – hätten wir den Verlust gegebenenfalls selbst tragen müssen.«
Festus hätte ihnen das Transportrisiko aufhalsen können. Bestimmt hatte er das gewußt. Er informierte sich immer sorgfältig über die Verhältnisse seiner Kunden. Warum also hatte er nicht zugegriffen? Ich erriet die Antwort, ohne lange nachzudenken. Mein sauberer Bruder mußte die Statue selbst heimbringen, weil er noch eine gezinkte Karte extra im Ärmel seiner schmuddeligen Tunika hatte!
Das war nicht meine Schuld, ja nicht einmal die von Papa.
Doch Carus und Servia würden darauf keine Rücksicht nehmen.
»Wollen Sie uns etwa verklagen?«
»Wir halten nichts von dieser endlosen Prozessiererei.«
Nein! Ihr schickt lieber gleich ein Rollkommando! Ich war sehr stolz auf mich, daß es mir gelang, diese glänzende Erwiderung runterzuschlucken. »Schauen Sie, ich bin erst kürzlich mit dem Problem konfrontiert worden«, versuchte ich es noch einmal im guten. »Und ich gebe mir alle Mühe, zu ermitteln, was sich im einzelnen zugetragen hat. Aber nach fünf Jahren ist das natürlich nicht leicht, und darum bitte ich Sie um ein wenig Geduld. Ich gebe Ihnen mein Wort darauf, daß ich alles Menschenmögliche tun werde, um Licht ins Dunkel zu bringen. Nur hören Sie auf, meinen armen alten Vater zu schikanieren …«
»Danke, aber ich kann auf mich selbst aufpassen!« Wenn es darum geht, dumme Sprüche zu klopfen, ist der arme alte Didius immer vorn dran.
»… und lassen Sie mir bitte etwas
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