Poseidons Gold
Zeit.«
»Nicht nach fünf Jahren!« rief Carus empört.
Ich hätte mich liebend gern mit ihm angelegt, ihn zum Schlimmsten herausgefordert und ihm versichert, daß wir ihm unter allen Umständen trotzen würden.
Doch das wäre sinnlos gewesen. Mein Vater und ich hatten das unterwegs bereits durchdiskutiert. Bei seinen Versteigerungen konnten wir mit Geleitschutz aufwarten, wir konnten das Lager und sein Büro verbarrikadieren, sein und mein Haus bewachen lassen und uns nie mehr ohne bewaffnetes Gefolge auf die Straße wagen.
All diese Vorsichtsmaßnahmen konnten wir ergreifen, nur leider nicht Tag und Nacht und womöglich über Jahre hinweg.
Carus und Servia aber sahen ganz so aus, als würden sie nicht lockerlassen. Papa und ich würden uns immerfort Sorgen machen müssen – um uns, um unseren Besitz, um unsere Frauen. Ganz zu schweigen von dem immensen Kostenaufwand. Und wir würden den schlechten Ruf nicht mehr loswerden, der Leuten anhaftet, die eine umstrittene Schuldenlast mit sich herumschleppen.
Vor allem aber würden wir nie mit meinem toten Bruder ins reine kommen.
Die Herrschaften wurden unserer überdrüssig. Ich sah ihnen an, daß sie drauf und dran waren, uns rauswerfen zu lassen.
Mein Vater gab als erster zu, daß sich die Verhandlungen hoffnungslos festgefahren hatten. »Ich kann Ihnen den Phidias nicht ersetzen; es gibt kein vergleichbares Stück. Und das Lockermachen einer halben Million bringt mich um meine Liquidität.«
»Veräußern Sie Ihre Vermögenswerte«, riet Carus ungerührt.
»Dann bliebe mir hinterher nichts als ein leeres Warenlager und ein ausgeräumtes Haus.«
Carus zuckte nur die Schultern.
Mein Vater erhob sich und sagte mit einer Würde, die ich ihm kaum zugetraut hätte: »Meinen ganzen Besitz zu veräußern, Carus, dauert seine Zeit!« Jetzt bat er nicht mehr um Entgegenkommen, sondern stellte Bedingungen. Carus und Servia würden darauf eingehen, denn sie wollten schließlich ihr Geld. »Komm, Marcus«, sagte mein Vater ruhig. »Laß uns heimgehen. Mir scheint, wir haben eine Menge zu erledigen.«
Dieses eine Mal verzichtete ich darauf, den Leuten plausibel zu machen, daß er und ich unter »Heim« verschiedene Örtlichkeiten verstanden.
Geminus verließ das Haus mit steinerner Miene. Ich folgte ihm nicht weniger verzweifelt. Eine halbe Million! Das war mehr, als ich bereits erfolglos für meine eigenen teuersten Zwecke aufzutreiben versucht hatte, mehr Geld, als ich je auf einem Haufen zu sehen hoffte. Und wenn ich jemals eine annähernd große Summe in die Finger bekäme, wollte ich mir damit die Heirat mit Helena ermöglichen. Den Traum konnte ich mir ein für allemal aus dem Kopf schlagen, falls ich mich in diese Geschichte hier mit reinziehen ließ.
Aber trotzdem, selbst wenn ich mich damit endgültig ruinieren sollte – meinem Vater durfte ich nicht allein die ganze Schuldenlast meines nichtsnutzigen Bruders aufbürden.
XLIV
Wir waren zu Fuß zum Haus der Kunstsammler gegangen, und zu Fuß traten wir den Heimweg an.
Das trifft es nicht ganz, denn mein Vater legte diesmal ein grimmiges Tempo vor. Ich störe einen Mitmenschen nicht gern in seinem Kummer – und wenn ein Mann gerade erfolglos versucht hat, sich einer Schuldenlast von einer halben Million Sesterzen zu entledigen, dann hat er allen Grund zum Kummer. Also marschierte ich neben Papa her, und da er offenbar schweigend zürnen wollte, leistete ich ihm auch hierin treulich Gesellschaft.
Während er die Via Flaminia entlangstürmte, war Vaters Gesicht so freundlich wie Jupiters Donnerkeil, und wahrscheinlich war auch meines nicht so liebenswürdig wie sonst.
Ich schritt nicht nur scharf aus, ich dachte auch scharf nach.
Wir waren fast in den Saepta angekommen, als er unvermittelt eine Weinschenke ansteuerte.
»Ich brauch was zu trinken!«
Mir ging’s nicht anders, nur hatte ich leider immer noch furchtbares Kopfweh.
»Ich setz mich solange hin und warte.« Kraftstrotzende Steinmetze meißelten an meiner Schädeldecke herum. »Ich hab letzte Nacht die Stimmbänder von zwei Malern geölt.«
Papa konnte sich nicht entscheiden, welcher von den an der Wand angeschriebenen Weinen stark genug war, um ihm gnädiges Vergessen zu bescheren, doch jetzt hielt er mitten in der Bestellung inne. »Was für Maler?«
»Der eine heißt Manlius, der andere Varga.« Ich stockte auch, allerdings nicht wegen Überlastung der grauen Zellen, so wie er. Ich hatte bloß den Ellbogen auf die Theke
Weitere Kostenlose Bücher