Poseidons Gold
anlegte, hörte er sich wie ein ungelernter Plebejer an, der eben seine Spitzhacke in eine Rohrleitung gerammt hat und sich nun so rasch wie möglich aus dem Staub machen will.
Ich wußte, daß wir Manlius im Bereich des Atriums finden würden, doch dort war, als wir ankamen, zuviel Betrieb. Darum arbeiteten wir uns erst mal durch die Speiseräume vor und hielten nach geschändeten Sabinerinnen Ausschau. Es war ein sehr großes Haus mit drei verschiedenen Triklinien: Varga verschönte seine Sabinerinnen im letzten.
Der Stuckateur hatte ihm eben ein neues Teilstück vorgefertigt. Bei Fresken kommt es vor allem auf die Schnelligkeit des Malers an. Varga stand vor einer großen Fläche frisch verputzter, noch feuchter Wand. Die Unterzeichnung mit etlichen lustvoll emporgereckten Hinterteilen hatte er bereits verfertigt, auch die fleischrosa Farbe war angerührt, und in der Hand hielt er einen tropfnassen Dachshaarpinsel.
In dem Moment erschienen wir auf der Bildfläche.
»Holla, Varga! Laß den Pinsel fallen! Hier kommen die Didius-Jungs!« Dieses rauhe Kommando, das mich fast ebenso erschreckte wie den Maler, hatte Papa gegeben.
Varga, der eine lange Leitung hatte, hielt seinen Pinsel fest umklammert.
Mein Vater, wie gesagt ein kräftiger Mann, packte den Maler mit einer Hand am Arm, stemmte ihn mit der anderen in die Höhe und schwang ihn so geschickt im Halbkreis herum, daß ein leuchtendrosa Pinselstrich im Zickzack just über die drei Meter frisch verputzter Wand fuhr, die eben erst ein sündteurer Handwerker mit einer vollkommenen, noch feuchten Putzschicht versehen hatte.
»Hier könnte Mico noch was lernen! Was ist, Marcus? Steh dir nicht die Beine in den Bauch, Junge, sondern laß uns die Tür da ausheben. Dann holst du drüben aus der Küche die Wäscheleine für die Geschirrtücher …«
Ich gehorchte verdutzt. Eigentlich lasse ich mich nicht gern herumkommandieren – aber das war mein erster Einsatz als offiziell anerkanntes Mitglied der »Didius-Jungs«. Harte Männer, fürwahr.
Ich hörte Varga stöhnen. Mein Vater hatte ihn fest am Kragen, und von Zeit zu Zeit beutelte er ihn geistesabwesend und schüttelte ihn wohl auch mal kräftig durch. Als ich aus der Küche zurückkam, ließ Geminus den Maler los und half mir, eine reichverzierte Falttür aus den bronzenen Angeln zu heben. Varga schnappte so angestrengt nach Luft, daß er gar nicht an Flucht denken konnte. Wir packten ihn aufs neue und banden ihn mit gespreizten Armen und Beinen an der Tür fest. Dann stemmten wir die Tür an die Wand gegenüber der, die Varga hätte bemalen sollen. Ich wickelte das übrige Seil ordentlich auf, wie die Flaggleine an Deck eines Schiffes, und da die feuchten Küchentücher immer noch dranhingen, sah es auch wirklich so aus.
Varga hing mit dem Kopf nach unten an der Tür. Guter Oberputz ist sehr, sehr teuer. Er muß bearbeitet werden, solange er noch feucht ist. Einem Freskenmaler, der den rechten Augenblick verpaßt, wird die fällige Wiederholung von seinem Lohn abgezogen.
Papa legte mir den Arm um die Schulter und sprach, an das Gesicht auf der Höhe seiner Stiefel gewandt: »Varga, dies ist mein Sohn. Wie ich höre, habt ihr ihm einen Bären aufbinden wollen, du und Manlius!« Varga gurgelte nur etwas Unverständliches.
Mein Vater und ich gingen hinüber an die neuverputzte Wand, setzten uns rechts und links von der feuchten Fläche auf den Boden, verschränkten die Arme und lehnten uns zurück.
»Also, Varga, wir hören!« drängte Papa freundlich.
Ich bleckte die Zähne zu einem gemeinen Grinsen. »Er kapiert’s nicht!«
»Doch, doch!« versicherte mein Vater in aller Gemütsruhe. »Weißt du, ein Freskenmaler, der gefesselt zusehen muß, wie sein Putz trocknet, ist einer der traurigsten Anblicke von der Welt, finde ich …«
Langsam wandten Vater und ich den Kopf, um nach dem antrocknenden Putz zu sehen.
Fünf Minuten lang hielt Varga es noch aus. Mittlerweile war er puterrot im Gesicht, blieb aber eisern.
»Erzähl uns was über Orontes«, schlug ich vor. »Du weißt doch, wo er ist.«
»Orontes ist verschwunden!« stotterte Varga.
»Nein, Varga«, korrigierte Papa ihn freundlich. »Orontes hat noch vor kurzem in eurem Rattenloch auf dem Caelius gehaust. Erst letzten April hat er mir eine Syrinx repariert, der eine Röhre fehlte. Er hat das so stümperhaft gemacht wie gewöhnlich, deshalb habe ich ihn erst im November bezahlt.« Mein Vater arbeitete leider mit jenen unfairen
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