Poseidons Gold
Später, als er mit der Armee in Judäa festsaß, sollte ich den Transport nach Italien überwachen.«
»Solltest du die Statue persönlich heimbegleiten?« fragte Papa. Ich nahm an, daß Orontes und mein Bruder das immer so hielten, wenn es ein Kunstwerk von besonders hohem Wert zu bewachen galt. Einer der beiden Partner oder ein absolut vertrauenswürdiger Agent hatte das fragliche Stück den ganzen Weg über im Visier.
»Das hatte ich Festus versprochen. Er hatte außerdem noch eine ganze Warenladung – lauter hübsche Sachen, aber von vergleichsweise minderer Qualität – bereitgestellt, und alles zusammen sollte auf einem Schiff namens Hypericon nach Ostia transportiert werden.«
Ich schubste den Bildhauer mit der Stiefelspitze an, damit er nicht über seiner umständlichen Rede einschlief. Orontes schloß die Augen. »Nachdem die Hypericon mit dem Phidias an Bord gesunken ist, du aber hier rumsitzt und unser ästhetisches Auge beleidigst, erklärt sich der Rest wohl von selbst. Du hast dein Versprechen Festus gegenüber gebrochen, hast die Hypericon allein segeln lassen und dich anderswo amüsiert.«
»Das stimmt so ungefähr«, gestand er unsicher.
»Ich hör wohl nicht recht!« rief Papa ungläubig. »Du hast eine Statue, die eine halbe Million wert ist, einfach allein fahren lassen?«
»Nicht direkt …«
»Ja, was denn nun?« donnerte Geminus.
Orontes stöhnte wie ein Verlorener im Hades, krümmte sich zusammen und umschlang seine Knie, als ob ihn furchtbare Schmerzen plagten. Auf manche Leute hat ein schlechtes Gewissen diese Wirkung. »Das Schiff mit der Statue ist gesunken«, flüsterte er.
Jetzt riß Papa der Geduldsfaden. »Ja, das wissen wir!« Und damit schleuderte er den Weinschlauch gegen ein kokettes Nymphchen, wo er mit einem scheußlichen Quietschton zerplatzte. Als der Wein an der leichtgeschürzten Schönen herunterrann, sah es aus, als blute sie. »Die Hypericon …«
»Nein, Geminus!« Orontes holte tief Luft. Dann sagte er uns endlich, was wir wissen wollten. »Der Phidias, den Festus gekauft hat, ist nie auf der Hypericon gewesen.«
LIII
Tief grub ich mir alle zehn Finger ins Haar und massierte meine Kopfhaut. Seltsamerweise war dieser Schock keine sonderliche Überraschung. Nachdem alle Welt uns erzählt hatte, die Statue wäre auf der Hypericon gewesen, war es natürlich etwas mühsam, sich plötzlich auf eine neue Geschichte einzustellen. Aber dafür würden sich vielleicht ein paar Dinge, die zuvor keinen Sinn ergeben hatten, jetzt ganz einfach erklären.
»Erzähl uns, was passiert ist«, befahl ich dem Bildhauer müde.
»Irgend etwas ist schiefgelaufen. Festus und ich transportierten zwar den Phidias nach Tyrus, aber die anderen Waren, die er auf eigene Rechnung zusammengekauft hatte, waren inzwischen nach Caesarea gegangen. Das war natürlich ärgerlich … na ja, und da erklärte mir Festus, er müsse dem Ganzen einen offiziellen Anstrich geben …«
»Was du nicht sagst!« Papa geriet langsam in Fahrt. »In dem Gebiet war ein Krieg im Gange, Mann!«
»Ja, eben!« rief Orontes dankbar. Der Mensch hatte anscheinend nicht die leiseste Ahnung, was auf der Welt vorging. Vielleicht konnte man ihm das nicht einmal übelnehmen, schließlich hatte mein Bruder sich vor ihm aufgespielt, als wäre der jüdische Aufstand einzig zur Förderung seiner Privatgeschäfte inszeniert worden. »Na, jedenfalls ist Festus dann runter nach Caesarea, um seine übrige Fracht im Auge zu behalten und ein Schiff zu chartern – besagte Hypericon eben.«
»Heißt das, ihr habt dieses Boot zuvor noch nie benutzt?«
»Aber nein! Bis dahin hatten wir unsere Fracht immer mit Militärtransporten verschifft.« Festus, dieser Hund! »Ich sollte auf die Statue aufpassen. Aber bevor ich sie in den Süden brachte, sollte sie von einem der Brüder Aristedon begutachtet werden; das wollte Festus so.« Der Name kam mir bekannt vor. Carus und Servia hatten erwähnt, daß sie die Aristedons als Spediteure beschäftigten. »Die Brüder sollten den neuen Besitzern die Echtheit des Phidias bestätigen. Erst danach konnte Festus die Kaufsumme von der Bank abheben.«
»Festus bekam also sein Geld von einer Bank in Syrien?«
»Viel praktischer so«, brummte Papa. »Der Schlingel wäre bestimmt nicht gern mit so einem Batzen Geld von Rom losgefahren. Außerdem konnte er so seinen Kameraden in Judäa ihren Anteil gleich an Ort und Stelle auszahlen, ohne lange um das Geld fürchten zu müssen.«
»Verstehe. Aber
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