Poseidons Gold
Köpfe. Und du siehst hier ein paar wirklich gelungene Reproduktionen. Der Mann ist nämlich ein verdammt guter Kopist.«
»Und woher stammen die jugendlichen Torsi?«
»Aus Griechenland«, krächzte Orontes, bemüht, uns bei Laune zu halten. Papa und ich tauschten einen bedeutungsvollen Blick.
»Ach, nein! Aus Griechenland?«
»Orontes fahrt öfter mal nach Griechenland«, erklärte mir mein Vater. »Und jetzt frage ich mich, ob er dort früher vielleicht auch Kunstwerke für unseren Festus aufgespürt hat.«
Ich pfiff durch die Zähne. »Sieh mal einer an – ein Schatzsucher! Also du bist der vertrottelte Agent, mit dem mein großer Bruder zusammengearbeitet hat! Der geheimnisumwitterte Fremde, den er in Alexandria kennenlernte … Griechenland, wie? Na, ich wette, heute wünschst du dir, daß du zum Sonnenbaden an attischen Stränden geblieben wärst!«
»Ich brauch was zu trinken!« unterbrach mich der Bildhauer verzweifelt.
»Gib ihm bloß nichts!« fuhr Papa dazwischen. »Ich kenne den Kerl. Sowie der Trunkenbold einen Becher in die Hand kriegt, leert er ihn auf einen Zug und kippt dir prompt aus den Latschen.«
»Hast du dafür die Bestechungsgelder verbraten, Orontes? Für Wein und Fusel?«
»Ich hab mich noch nie im Leben bestechen lassen!«
»Lüg mich nicht an, Freundchen! Irgend jemand hat einen Haufen Kies springen lassen, damit du ihm einen Gefallen tust. Und jetzt wirst du uns auf der Stelle sagen, wer das war – und wofür man dich geschmiert hat!«
»Der Scheißkerl Cassius Carus hat das Geld lockergemacht!« rief mein Vater unvermittelt. Ich wußte, daß er nur geraten hatte, aber mir war klar, daß er mit seiner Vermutung vielleicht richtig lag.
»Stimmt das, Orontes?«
Der Bildhauer murmelte etwas, das vage nach Zustimmung klang. Als er noch ohnmächtig war, hatten wir seinen Weinvorrat entdeckt. Jetzt nickte Papa mir zu, und ich hielt Orontes den Weinschlauch an die Lippen, achtete aber sorgsam darauf, daß er nur einen Schluck abbekam. »So, und jetzt erzähl mal von Anfang an!«
»Ich kann nicht!« jammerte er.
»Doch, du kannst – es ist sogar ganz leicht.«
»Wo ist Rubinia?« In Wahrheit machte er sich nicht viel aus dem Mädchen. Er versuchte bloß, Zeit zu schinden.
»Da, wo sie dir nicht helfen kann!« Wir hatten sie lediglich weggesperrt, um uns ihre wüsten Flüche zu ersparen.
Papa rückte jetzt auch näher und griff nach dem Weinschlauch. »Vielleicht hat er ja Angst vor dem Mädchen. Vielleicht zieht die Kleine ihm die Löffel lang, wenn sie rauskriegt, daß er geplaudert hat.« Mein Vater trank etliche Schluck und bot dann mir den Schlauch an. Ich schüttelte angewidert den Kopf. »Sehr gescheit, mein Junge! Für ein so renommiertes Weinbaugebiet ist das ein ganz scheußlicher Essigpansch. Aber Orontes hat der Geschmack noch nie gekümmert, nur die Wirkung.«
Orontes blickte sehnsüchtig auf seinen Weinschlauch, doch Papa gab die Trophäe nicht aus der Hand. »Nun erzähl uns mal was über den Phidias!« drängte ich. »Aber ein bißchen plötzlich – oder mein Vater und ich werden dir so einheizen, wie’s noch keiner von denen getan hat, die dich bisher bedroht haben.«
Offenbar klang ich überzeugend, denn zu meiner Überraschung rang Orontes sich jetzt tatsächlich zu einem Geständnis durch.
»Ich fahre so oft ich kann nach Griechenland und sehe mich dort nach Sonderangeboten um …« Wir nickten höhnisch feixend zu seinen hybriden Statuen hinüber, um ihm zu zeigen, was wir von seinen Schnäppchen hielten. »Festus hatte einen Vertrag mit mir. Ich hatte was von einem Phidias läuten hören, der angeblich zu verkaufen sei, und ich dachte, wir hätten eine Chance, da mitzumischen. Irgendein bankrotter Tempel auf einer Insel plante einen Räumungsverkauf. Ich glaube, die Priester waren sich gar nicht richtig im klaren darüber, was sie da auf den Markt warfen. Trotzdem war das gute Stück natürlich nicht billig. Aber Festus und ein paar von seinen Kameraden kratzten das Geld irgendwie zusammen, und er besorgte Carus und Servia als potentielle Kunden. Als seine Legion aus Alexandria abgezogen wurde, um die jüdische Rebellion niederzuschlagen, hat Festus sich als Eskorte für einen wichtigen Kurier eine Reise nach Griechenland besorgt. So kam er zu mir, um den Phidias zu begutachten. Was er sah, gefiel ihm, und der Kauf ging problemlos über die Bühne. Aber die Zeit drängte, und ihm blieb nichts anderes übrig, als die Statue mit nach Tyrus zu nehmen.
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