Poseidons Gold
natürlich kalt gewordene) Portion hinunter und dazu noch die Hälfte von Papas Teller. In einem Sommersalat sind kalte Bohnen was Feines, aber als Hauptgericht im Winter sind sie nicht besonders zu empfehlen. Schon gar nicht, wenn das Öl glibberig geworden ist.
»Ist denn kein Brot da?«
»Du hast vergessen, welches mitzubringen. Warst wohl zu sehr damit beschäftigt«, mutmaßte Helena unter der Decke hervor, »dem Busenwunder an der Theke schöne Augen zu machen.«
Da ich ohnehin im Begriff war, ihr von Papas und meinem Abenteuer zu erzählen, flocht ich schnell alle nennenswerten Einzelheiten über Rubinias entblößten Busen ein.
Für eine gute Geschichte ist Helena immer zu haben, besonders, wenn ich darin vorkomme. Zuerst lugte nur ihre Nasenspitze übers Deckbett, aber nach und nach, als die Schilderung der albernen Antiquitäten und des beinharten Verhörs sie in Bann schlug, kam immer mehr zum Vorschein. Als ich geendet hatte, saß sie aufrecht in den Kissen und streckte mir die Arme entgegen.
Ich stieg zu ihr ins Bett und wir wärmten uns aneinander.
»Wie geht’s jetzt weiter, Marcus?«
»Wir haben Orontes klargemacht, daß er mit uns nach Rom fahren muß. Er weiß, daß er sich vor Carus und auch vor uns in acht nehmen muß, und in dieser Zwickmühle ergreift er nur zu gern die Chance, dahin zurückzukehren, wo er sowieso am liebsten ist. Ach, der Kerl ist ein Trottel!« klagte ich. »Er hat keine Ahnung, daß es jetzt zu einer Gegenüberstellung kommen muß – die sehr unangenehm für ihn wird. Nein, Orontes macht sich davon keine Vorstellung! Er ist bloß froh, daß seine Flucht ein Ende hat.«
»Aber was ist mit dir und deinem Vater? Braucht ihr Carus jetzt das viele Geld nicht mehr zurückzugeben?«
Ich seufzte. »Das ist ein Problem. Carus hat’s schriftlich, daß er Festus die Statue bezahlt hat, und wir können nicht beweisen, daß Orontes sie in Tyrus dem Vertreter von Carus und Servia übergeben hat. Die Brüder Aristedon sind mit der Mannschaft ertrunken, als die Perle von Perga gesunken ist. Andere Zeugen gibt es leider nicht.«
»Und für die Bestechungssumme, die Carus dem Bildhauer später gezahlt hat, existiert wohl keine Quittung, oder?«
»Nein, mein Herz. In dem Fall steht Orontes’ Wort gegen das von Carus.«
»Aber Orontes könnte immerhin als Zeuge auftreten?«
»Freilich könnte er! Falls es uns gelingt, ihn am Leben und nüchtern zu erhalten, und falls er bereit ist auszusagen – was Carus natürlich mit allen Mitteln verhindern wird. Wir müssen also dafür sorgen, daß er uns mehr fürchtet als Carus, und außerdem noch das Kunststück fertigbringen, diese unzuverlässige, verlogene, miese Gestalt den Geschworenen als glaubhaft zu präsentieren!«
»Carus wird wahrscheinlich die Geschworenen bestechen.« Helena küßte mich aufs Ohr. »Dieser Orontes ist ein schlechter Zeuge, Marcus. Erst hat er die Anweisungen deines Bruders ignoriert, und dann verkauft er kaltblütig die Quittung. Der gegnerische Anwalt braucht ihm bloß fortgesetzte böse Absicht vorzuwerfen, und schon hast du den Prozeß verloren.«
»Ach, du hast ja so recht!« seufzte ich pathetisch. »Orontes ist ein Waschlappen. Carus dagegen ist nicht nur steinreich, sondern auch beharrlich. Vor Gericht würde er den ehrbaren Bürger spielen und die Geschworenen für sich einnehmen, während unser Mann schnell alle Glaubwürdigkeit verloren hätte … Aber wir werden den Fall gar nicht vor Gericht bringen! Warum Anwaltshonorare zahlen, wenn man ohnehin schon bis zur Nase im Dreck steckt? Nein, nein, Papa und ich sind entschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.«
»Was habt ihr vor?« Wie angenehm ihre Hände zu Stellen wanderten, wo wandernde Hände besonders willkommen sind.
»Wir haben uns noch nicht entschieden. Aber es muß eine richtig große Sache werden.«
Wir verstummten beide. Ein Rachefeldzug gegen das Kunstsammlerpaar brauchte Zeit und sorgfältige Planung. Heute nacht würde sich das Problem nicht lösen lassen. Aber selbst wenn mein Einfallsreichtum mich im Stich ließ, hoffte ich darauf, daß Helena einen hinterhältigen Part zu unserem Komplott beisteuerte. Es mußte etwas geschehen, das würde sie verstehen. Meine Angebetete haßte nichts so sehr wie Ungerechtigkeit.
Sie lag jetzt vollkommen still in meinen Armen, und ich spürte, wie heftig ihr messerscharfer Verstand arbeitete.
Plötzlich rief Helena aus: »Das ist doch wieder mal typisch – die spannendste Stelle in
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