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Poseidons Gold

Titel: Poseidons Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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uns und unseren Racheplan anzustoßen. Dazu aßen wir Winterbirnen und lachten, als uns der Saft über Kinn und Handgelenke tropfte. Als Helena eine Birne erwischte, die schon braun wurde, nahm mein Vater ein Messer und schnitt die Druckstelle weg. Wie er so die Birne in der kräftigen Linken hielt und mit dem blanken Daumen der Rechten die Klinge dirigierte, während er das schlechte Stück aus der Frucht herausholte, fühlte ich mich plötzlich um ein Vierteljahrhundert zurückversetzt, an einen anderen Tisch, um den eine Gruppe Kinder versammelt war, die lautstark verlangten, ihr Vater solle ihnen das Obst schälen.
    Ich wußte noch immer nicht, womit wir ihn eigentlich vertrieben hatten. Und ich würde es wohl nie erfahren, denn er hatte niemals das Bedürfnis gehabt, sich zu erklären. Das war für mich immer das Schlimmste gewesen. Aber vielleicht konnte er’s ganz einfach nicht.
    Helena berührte meine Wange, und ihre Augen schauten still und verständnisvoll.
    Papa reichte ihr die in Scheiben zerlegte Birne und schob ihr den ersten Schnitz in den Mund, als wäre sie ein kleines Mädchen.
    »Mit dem Messer ist er unschlagbar!« rief ich. Und dann lachten wir noch eine Runde, als mein Vater und ich an unseren Auftritt als die gefährlichen Didius-Jungs dachten.
    Es war ein schöner Nachmittag. Aber man sollte nie alle Vorsicht fahrenlassen. Und Gelächter ist der erste Schritt auf dem Weg zum Verrat.
    Als mein Vater gegangen war, meldete sich der Alltag zurück, und das Leben schickte wieder seine herben Botschaften.
    Ich zündete gerade eine Lampe an und wollte den verkohlten Docht stutzen. Arglos suchte ich nach dem Messer, das ich normalerweise dazu benutze. Aber es war nicht da.
    Papa mußte es mitgenommen haben.
    Und dann fiel mir das Messer ein, mit dem Censorinus erstochen worden war. Plötzlich begriff ich, wie ein Messer, das einmal meiner Mutter gehört hatte, in der Caupona landen konnte. Jetzt wußte ich, wie meine Mutter, die doch so sorgsam mit ihren Sachen umging, eins ihrer Küchengeräte verlieren konnte, und auch, warum sie Petronius Longus, als der sich nach dem Messer erkundigte, die Zerstreute vorgespielt hatte – und warum sie, als Helena die übrige Familie befragen wollte, so getan hatte, als sei ihr die ganze Sache fast gleichgültig. Ich hatte sie beim gleichen Thema zigmal ostentativ zerstreut und teilnahmslos werden sehen. Mama wußte genau, wo das »verlorene« Messer vor zwanzig Jahren abgeblieben war. Seine Entdeckung muß sie in ein furchtbares Dilemma gestürzt haben – zum einen wollte sie mich schützen, und zum anderen wußte sie, daß die Wahrheit zwar mir, nicht aber unserer Familie helfen würde. Vermutlich hatte sie selbst meinem Vater das Messer in den Essenskorb gesteckt, an dem Tag, als er uns verließ. Oder er hatte es für irgend etwas gebraucht und dann einfach mitgenommen, so wie heute das meine.
    Mein Vater war im Besitz der Mordwaffe gewesen.
    Was bedeutete, daß der Hauptverdächtige im Mordfall Censorinus nun offenbar Didius Geminus hieß.
LIX
    Es war eine verrückte Idee. Eine jener, die zwingend scheinen, wenn man sie erst einmal im Kopf hat.
    Darüber konnte ich mit Helena unmöglich reden. Und damit sie mir nichts am Gesicht ablas, ging ich auf den Balkon. Vor zehn Minuten war er noch hier gewesen, hatte mit uns gescherzt. Er und ich waren noch nie so gut miteinander ausgekommen. Und jetzt das.
    Er könnte das Messer vor langer Zeit verloren oder sogar weggeworfen haben. Aber das glaubte ich nicht. Papa war ein geradezu fanatischer Bestecksammler. Als er noch bei uns lebte, war es Usus, daß er jeden Morgen ein Messer in seinen Essenskorb bekam, und in der Regel stibitzte er das Tagesmesser. Es war eine der ärgerlichen Angewohnheiten, mit denen er sich bemerkbar machte. Und er geriet deswegen immer wieder in Schwierigkeiten, eins der endlosen Hickhacks, die das Familienleben auffrischen. Manchmal brauchte er eine scharfe Klinge, um an einem verdächtigen Möbelstück rumzupulen und es auf Wurmstichigkeit zu prüfen. Manchmal mußte er die Stricke durchtrennen, die neu gelieferte Waren zusammenhielten. Manchmal mopste er im Vorbeigehen einen Apfel von einem Obststand und wollte ihn dann auch gleich in Scheiben schneiden. Wir Kinder schenkten ihm zu den Saturnalien einmal ein Obstmesser, aber das hängte er in seinem Büro an die Wand und brachte Mutter weiter zur Verzweiflung, indem er ihr die Küchenmesser mauste.
    Offenbar hatte er sich das bis heute

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