Poseidons Gold
ihm nur huldvoll zu und blieb, wo sie war. Daraufhin erwartete er wenigstens, daß ich den Eimer verschämt unter den Tisch schieben würde, aber ich arbeitete weiter.
»O ihr Götter! Diese Treppen haben mich geschafft … Spannt sie dich immer so ein?«
»Das ist unser Lebensstil. Niemand hat dich gebeten, hier reinzuplatzen und den Kritikaster zu spielen.«
»Bei uns ist Marcus der Koch«, erklärte Helena. »Er gefällt sich darin, meine häusliche Erziehung zu lenken. Aber einen warmen Honigtrunk dürfte ich Ihnen schon machen, wenn Sie mögen.«
»Wein habt ihr nicht zufällig da?«
»Nur für die, die zum Essen bleiben«, ging ich dazwischen. Mein Vater war unverbesserlich. »Außerdem sind unsere Vorräte fast erschöpft. Gelegenheitstrinker kann ich nicht durchbringen. Was wir noch haben, brauch’ ich für die Sauce.«
»Zum Essen kann ich leider nicht bleiben; ich werde zu Hause erwartet. Du bist wirklich ein hartherziger Gastgeber.«
»Nimm mit dem Honig vorlieb. Sie macht ihn mit Zimt an. Davon kriegst du reinen Atem, gute Laune, und deine arme alte Pumpe erholt sich vom Treppensteigen.«
»Mädchen, du hast dir ja einen verdammten Apotheker eingefangen!« nörgelte Papa, an Helena gewandt.
»Ja, ist er nicht wunderbar? Wie eine wandelnde Enzyklopädie!« flötete sie hinterhältig grinsend. »Ich habe mir schon überlegt, ob ich ihn nicht gelegentlich an Marponius verpachten soll …« Dann lächelte sie und machte uns allen was Anständiges zu trinken.
Mein Vater sah sich bedächtig in unserem Vorderzimmer um, erriet, daß der Raum hinterm Vorhang ebenso schäbig war, tat den Balkon ab als Desaster, dessen Baufälligkeit uns einen frühen Tod bescheren würde, und rümpfte die Nase über unsere Einrichtung. Ich hatte inzwischen einen Kiefernholztisch gekauft. Uns gefiel er, denn er hatte noch alle vier Beine und war nur ein ganz kleines bißchen wurmstichig, aber für seine Verhältnisse war es natürlich ein jämmerlich häßlicher Tisch. Außerdem besaßen wir noch den schäbigen Schemel, auf dem ich hockte, den Sessel, den Helena ihm abtrat, einen schlichten Stuhl, den sie sich jetzt aus dem Schlafzimmer holte, drei Becher, zwei Schüsseln, einen Schmortopf, ein paar billige Lampen und eine bunt zusammengewürfelte Bibliothek mit – unter anderem – griechischen Theaterstücken und lateinischen Gedichten.
Er sah sich nach Zierat und Nippes um, und erst als ich seinen verstohlenen Blick in die Runde sah, fiel mir auf, daß wir so etwas nicht besaßen. Vielleicht würde er uns eine Kiste voll schicken, wenn er das nächste Mal einen Nachlaß entrümpelte.
»Olympus! Ist das etwa alles?«
»Aber nein! Nebenan steht noch das Bett mit den Muschelverzierungen, das du mir verkauft hast, und ein leidlich hübscher, verstellbarer Dreifuß, den Helena irgendwo aufgestöbert hat. Ach, und unsere Sommervilla in Baiae ist selbstredend eine Stätte des unbegrenzten Luxus. Dort haben wir übrigens auch unsere Glassammlung und die Pfauen untergebracht … Na, wie findest du’s?«
»Es ist noch schlimmer, als ich befürchtet hatte! Ich bewundere deinen Mut, mein Kind«, sagte er, sichtlich gerührt, zu Helena.
»Und ich bewundere Ihren Sohn«, sagte sie ruhig.
Papa ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern zog weiter ein gekränktes Gesicht, gerade so, als wäre meine Bruchbude ein gezielter Affront gegen ihn. »Aber das ist ja einfach furchtbar! Kannst du ihn denn nicht dazu bringen, daß er was dagegen tut?«
»Er tut sein Bestes«, sagte Helena gepreßt.
Ich verkniff mir jeden Kommentar, ging raus und pieselte vom Balkon runter. Unten auf der Straße ertönte ein zorniger Fluch, der mich freute.
Als ich wieder reinkam, erzählte ich meinem Vater, was ich von Laurentius über die zweite Statue, den Zeus, erfahren hatte. »Zumindest paßt jetzt alles zusammen. Erst ging’s um ein Schiff und eine Skulptur – jetzt haben wir zwei Schiffe und auch zwei Skulpturen.«
»Oh, aber die Sache ist nicht ganz so symmetrisch, Marcus«, wandte Helena ein. »Eine der Statuen ging mit einem der Schiffe unter, gut – aber den Zeus hat Festus mit an Land gebracht, und wahrscheinlich ist er immer noch irgendwo versteckt.«
»Na bravo!« sagte ich. »Der Zeus ist verschwunden – rein theoretisch könnten wir ihn wiederfinden.«
»Willst du’s nicht wenigstens versuchen?«
»Natürlich!«
»Bislang war’s aber mit deiner Spürnase nicht weit her!« bemerkte mein Vater düster.
»Ich hab ja auch
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