Poseidons Gold
arbeiten können …«
Während die beiden noch gafften und staunten, hatte ich meine grauen Zellen benutzt. »Hört mal, wir müssen rasch handeln und den Schutt, so gut es geht, abdecken; vor allem aber muß die Statue hier weg, bevor sie noch jemand sieht. Mir graust davor, aber wir müssen sie von hier fortschaffen. Wir sind sicher, daß der Phidias unserem Festus gehörte, aber die Besitzerin der Caupona davon zu überzeugen dürfte nicht so einfach sein …«
»Reg dich nicht auf«, unterbrach mein Vater großspurig. »Heute abend kommt niemand mehr.«
»Ha, da irrst du dich aber gewaltig! Hörst du mir bitte mal zu? Ich soll hier Wache schieben, während Petronius der Wirtin beibringt, daß ihr Kellner tot ist. Wir müssen also jeden Augenblick mit der mysteriösen Flora rechnen, und die Dame wird nicht gerade entzückt sein über dieses Riesenloch in ihrer Wand …«
Hier stockte ich. Es kommt niemand mehr, hatte Papa kategorisch gesagt. Und auch ohne daß er einen Grund angab, klingelte es auf einmal bei mir.
»Danke, daß du so lieb nach dem Rechten gesehen hast«, frotzelte Papa. Ich versuchte, den Gedanken nicht zu Ende zu denken, aber mir war schon arg mulmig. Mein Vater kriegte wieder seinen verschlagenen Blick. »Wie gesagt: Flora kommt nicht. So ein Wächteramt ist Männersache, deshalb habe ich mich angeboten.«
Ächzend begriff ich da, was mir schon vor Wochen hätte aufgehen sollen. Ich wußte jetzt, warum mein Bruder sich in der Caupona immer wie der Chef persönlich aufgeführt hatte; wieso er hier entlaufenen Sklaven Arbeit verschaffen konnte; warum er so nonchalant mit den Fremdenzimmern umgesprungen war. Weil schließlich alles in der Familie blieb.
Petronius hatte recht. Flora gab es wirklich. Und recht auch damit, daß ich das lieber nicht erfahren hätte. Die Caupona Flora war das »Geschäft«, das mein Vater der Frau, mit der er jetzt zusammenlebte, gekauft hatte, damit sie ihm nicht länger in seins reinredete. Flora war Papas Herzensdame.
LXV
Der erste Teil unseres Komplotts gegen Carus und Servia war der unangenehmste: Mein Vater versteigerte seine bewegliche Habe, um eine halbe Million Sesterzen flüssigzumachen. Einer seiner Freunde schwang diesmal den Hammer, und Gornia, das zuverlässige Faktotum, kümmerte sich derweil um den übrigen Verkauf. Papa verschwand für ein paar Tage nach Tibur, vermutlich in Begleitung des Rotschopfs. Ich dagegen fuhr in die Campania, um einen der parischen Marmorblöcke zu holen.
Wir benutzten Epimandos’ Tod, um das Lokal für ein paar Tage zu schließen, räumten die Küche aus, wuchteten den Marmorblock hinein, schleppten Orontes aus seiner Bude auf dem Caelius (wo er wieder mit den Malern hauste) herbei und befahlen ihm, sich an die Arbeit zu machen.
»Glaubst du, du kriegst es hin?«
»Wenn ich euch Plagegeister dann endlich los bin … Ja doch, ja, ich werd’s hinkriegen. Aber jetzt laßt mich in Frieden, damit ich endlich anfangen kann.«
Mit dem Zeus als Modell und seiner Erinnerung an Poseidon, den Bruder des Göttervaters, sollte Orontes seinen Verrat an Festus sühnen und uns einen neuen Phidias schaffen.
Währenddessen wiegten wir das Sammlerehepaar in trügerischer Sicherheit, indem wir brav die Schulden tilgten, die mein Bruder angeblich noch bei ihnen hatte.
Es war kurz vor Morgengrauen.
In der letzten Stunde, da in Rom Transportverkehr auf Rädern erlaubt ist, fuhren wir in einem offenen Karren die Via Flaminia hinauf. Über dem Campus Martius hing ein Dunstschleier, der die stillen öffentlichen Gebäude rings um den Platz in frostige Winterstimmung hüllte. Vorbei an den grauen Steinfassaden von Pantheon und Saepta steuerten wir die eleganten Gärten und Villen im Norden der Stadt an.
Die Straßen waren menschenleer. Die Nachtschwärmer waren heimgekehrt; die Räuber waren emsig dabei, ihre Beute unter den Fußbodendielen zu verstecken; die Freudenmädchen ruhten in Morpheus’ Armen, und die Feuerwehrleute schnarchten. Die Pförtner schliefen so fest, daß ein Besucher eine halbe Stunde lang hätte klopfen können, ohne Einlaß zu finden.
Darauf waren wir vorbereitet.
Als wir den friedlichen Korso erreichten, an dem Cassius Carus mit seiner Holden residierte, fuhren wir unseren Karren rückwärts vors Hauptportal. Wie aufs Stichwort fing einer der Ochsen an zu muhen. Im diesigen Licht rauchender Fackeln setzte mein Vater sich aufrecht in den Karren und schwang feierlich eine riesige Kupferglocke. Ein Zug
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