Poseidons Gold
stieß ein ehrfürchtiges »Ah!« aus und erstarrte dann, an meinen Arm geklammert, gleich mir in stummer Verzückung.
»Schönes Stück!« flüsterte ich endlich in Geminus’ lakonischem Ton.
Helena hatte unsere Sprüche inzwischen auch ganz gut drauf. »Hmm! Ziemlich groß für einen Privathaushalt, aber durchaus brauchbar …«
Der nackte, bärtige Zeus musterte uns mit ruhiger Noblesse. Sein hochgereckter Arm schleuderte den Donnerkeil. Auf einem Sockel im dämmrigen Heiligtum eines ionischen Tempels hatte er gewiß ehrfürchtige Andacht geweckt. Hier, in der schäbigen, dunklen Rumpelkammer meines Bruders, brachte er sogar mich zum Schweigen.
Wir standen noch immer ergriffen auf demselben Fleck, als es plötzlich unten zu rumoren begann.
Wir fuhren schuldbewußt zusammen. Kein Zweifel, jemand war in der Caupona. Erst vernahmen wir verdächtige Geräusche aus der Küche, dann Schritte, die sich der Treppe näherten. Jetzt schaute offenbar jemand ins Zimmer des Soldaten und fluchte, als er den Dreck und das Durcheinander sah. Wir saßen in der Falle! Und während ich noch überlegte, was besser wäre: die Lampe zu löschen oder sie brennen zu lassen, schob sich auch schon eine zweite Funzel durch den Spalt im Mauerwerk, gefolgt von einem Arm.
Der Arm zappelte wild, während sich eine breite Schulter durch die schmale Öffnung quetschte. Dazu fluchte eine Stimme, die ich auf Anhieb erkannte, ganz fürchterlich. Im nächsten Augenblick rieselten lockere Steine und Mörtelbrocken zu uns herein, während sich eine stämmige Gestalt mit Gewalt Eintritt verschaffte. Plötzlich stand mein Vater in voller Lebensgröße in unserem Versteck.
Er sah erst uns an und dann den Zeus.
Und als ob ich gerade mal einen Sack Äpfel angeschleppt hätte, sagte er: »Aha, du hast ihn also gefunden!«
LXIV
Er verschlang den Zeus mit seinen Blicken.
»Was machst du denn hier?« fragte ich ruhig. Aber Papa stieß nur einen ekstatischen Seufzer aus und vertiefte sich, ohne auf meine Frage zu antworten, in die Bewunderung des Phidias. »Hast du gewußt, daß er hier ist, Vater?«
Im ersten Moment fand ich Geminus’ Blinzeln verdächtig, doch viel länger als ich kannte er das Versteck wohl nicht, sonst wäre die Statue nicht mehr da gewesen. Wahrscheinlich hatte er sich alles erst zusammengereimt, als er die Treppe raufkam. Jedenfalls versuchte ich, mir einzureden, daß er nicht im Schweinsgalopp in die Caupona gerannt war, um selbst die Wand einzureißen.
Er schlenderte um den Zeus herum und bewunderte ihn von allen Seiten. Derweil vergnügte ich mich mit Spekulationen darüber, ob ich, wenn er die Statue zuerst gefunden hätte, wohl jemals davon erfahren hätte.
Die unergründliche Miene meines Vaters erinnerte mich so sehr an Festus, daß ich es für besser hielt, mißtrauisch zu bleiben.
»Wir hätten’s wissen müssen, Marcus.«
»Ja. Festus hat schließlich dauernd in dieser Kaschemme rumgehangen.«
»Er war hier praktisch zu Hause!« pflichtete Papa mir trocken bei. »Zumindest hätten wir’s erraten müssen. Und ich sage dir, das ist noch längst nicht alles. Dein famoser Bruder hatte bestimmt überall, wo er verkehrte, ein heimliches Versteck voller Schätze. Wir könnten sie alle ausfindig machen.«
»Oder uns bei der Suche verausgaben!« bemerkte ich. Die Euphorie ist ein sehr kurzlebiges Ding, und ich war jetzt schon müde.
»Ach was, er hatte bestimmt eine Liste«, sagte mein Vater, hängte seine Lampe kurzerhand an den Donnerkeil des Göttervaters und gesellte sich zu uns.
Ich mußte lachen. »Das wäre doch Wahnsinn! Also, ich an seiner Stelle hätte alle nötigen Informationen allein meinem Gedächtnis anvertraut.«
»O ja, ich auch. Aber Festus war nun mal nicht wie wir.«
Ich sah Helena lächeln, als ob der Gedanke, mein Vater und ich wären uns ähnlich, ihr Freude machte. Im Angesicht eines Phidias im Wert von einer halben Million Sesterzen gönnte ich mir das Vergnügen, ihr Lächeln zu erwidern.
Wir standen alle drei so lange wie irgend möglich da und bestaunten den Zeus. Als es langsam albern wurde, weiter in dem düsteren Loch rumzuhängen, zwängten wir uns durch die Maueröffnung zurück in die relativ luxuriöse, möblierte Kammer nebenan.
Papa musterte den Schutt, der von meinen rabiaten Abbruchmethoden zeugte. »Marcus, da hast du aber eine schöne Schweinerei angerichtet!«
»Was? Dafür, daß ich kein ordentliches Werkzeug hatte und unter Zeitdruck war, hätte ich wohl kaum sauberer
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