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Poseidons Gold

Titel: Poseidons Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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irgendein Unterweltkönig den Mord an Censorinus bestellt hatte. Aber nach dem ersten Blick auf den Tatort verwarf ich diese Theorie. Wer immer Censorinus Macer umgebracht hatte, war unter verheerendem Druck zum Täter geworden.
    Es konnte nur ein Mann gewesen sein. Gewiß, auch eine rachsüchtige Frau kann Furchtbares anrichten, aber die Spuren deuteten auf brutale Kräfte, und der Wahnsinnige, der diese Tat beging, hatte auch dann noch zugestochen, als sein Opfer längst tot war. Das Gesicht, das anzuschauen mich große Überwindung kostete, war kaum wiederzuerkennen. Petro hatte recht: Alles, alles war voller Blut; es war sogar bis an die Decke gespritzt. Um dieses Zimmer je wieder anständig sauber zu kriegen, würde man es komplett ausräumen und alle Oberflächen mehrmals schrubben müssen. Olympus allein wußte, wie der Mörder ausgesehen hatte, als er den Raum verließ.
    Selbst jetzt, wo das Blut längst getrocknet war, mußte ich mich zwingen einzutreten.
    Doch mein ganzes Manöver wäre sinnlos gewesen, wenn ich die Gelegenheit jetzt nicht auch nutzte. Also besann ich mich auf meine Routine und machte mich an die Arbeit.
    Der Raum war grob geschätzt viereinhalb Quadratmeter groß. Ein kleines Zimmer. Das einzige Fenster war schmal, hoch und hatte eine tiefe Fensterbank. Auf dem schmalen Bett nur eine Decke, nicht einmal ein Kissen. Ansonsten beschränkte sich die Einrichtung auf einen Kleiderhaken, unter dem ein verschossenes scharlachrotes Uniformteil lag, das vielleicht während der Tat auf den Boden gefallen war, und einen Schemel neben dem wackeligen Betthaupt. Auf dem Schemel stand eins von Floras fleckigen Holztabletts mit einem vollen Krug und einem umgeworfenen Weinbecher. Der samtige Rotwein im Krug war wie ein grausiger Hohn auf das angetrocknete, verkrustete Blut ringsum.
    Die Ausrüstung des Legionärs war ordentlich am Fußende des Bettes gestapelt. Um die Sachen in Augenschein zu nehmen, mußte ich dicht an dem Leichnam vorbei, der ausgestreckt auf dem Bett lag. Petro und seine Männer hatten das Gepäck des Soldaten natürlich schon durchsucht, aber angesichts der Mordanklage über meinem Kopf mußte ich mir selbst ein Bild machen.
    Die Stiefel des Toten lugten unterm Bett hervor; ich stolperte über einen Schuh und wäre beinahe auf die Leiche gefallen. Der Schreck würgte mich, doch ich riß mich zusammen und suchte weiter nach Spuren.
    Censorinus hatte bereits die Stiefel ausgezogen; das heißt, er lag zur Tatzeit entweder im Bett, wollte sich gerade hinlegen oder wieder aufstehen. Daß er unter der Decke Gesellschaft gehabt hatte, war zwar nicht auszuschließen, aber ich tippte eher auf einen Eindringling als Täter. Censorinus war nicht für Besuch gekleidet. Ein Soldat zieht seine Stiefel an, bevor er »Herein« ruft, wenn’s klopft, damit er auch zutreten kann, falls ihm das Gesicht des Gastes nicht gefällt.
    Außerdem stand nur ein Becher auf dem Tablett.
    Sein Gepäck schien vollständig zu sein, genau wie Petronius gesagt hatte. Ich hatte ja seine ganze Habe gesehen, als ich Censorinus beim Packen half, damit er Mamas Gästezimmer schneller räumte: Schwert, Degen und Gürtel; Helm, Knotenstock und ein Tornister mit dem üblichen kleinen Werkzeug; dazu eine rote Tunika zum Wechseln und etwas Unterwäsche. Da Censorinus auf Urlaub war, hatte er weder Schild noch Speere dabei. Das einzige Dokument, das ich fand, war eine alte Herbergsrechnung (von einer Mansio draußen in der Campania, die ich gut kannte).
    Die Waffen waren alle ordentlich verstaut. Das entsprach meiner Theorie: Der Legionär war von seinem Mörder überrumpelt worden. Der Angriff war völlig unerwartet gekommen. Censorinus hatte offensichtlich nicht einmal den Versuch gemacht, nach seinem Schwert zu greifen und sich zu verteidigen. Wahrscheinlich war gleich der erste Hieb tödlich gewesen.
    Ob man ihm seine Barschaft gestohlen hatte? Bei Mama hatte er mir seine Finanzlage vorenthalten, doch jetzt entdeckte ich, daß er eine Armbörse trug. Sie schien ungeöffnet. Was da hineinpaßte, hätte nicht mal für die Reise nach Rom gereicht. Die Matratze sah aus, als hätte sie jemand hochgehoben und darunter nach Geld gesucht, aber das konnte auch Petronius gewesen sein. Und solange die Leiche darauf lag, konnte ich das Bett nicht gründlich untersuchen. Nein, erst mußte man Censorinus herunterheben. Ich war in einer verzweifelten Lage – aber so verzweifelt nun auch wieder nicht.
    Bei dem grausigen Zustand des Zimmers

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