Poseidons Gold
Unternehmen kam. Ja, ich befürchtete sogar, daß der Vorschlag, einen Griff in die Legionskasse zu tun, von meinem großen Bruder höchstpersönlich stammte.
Jedes Armeekorps verfügt über seine eigene Pensionskasse, die sie im Hauptquartier unter dem allerheiligsten Schrein aufbewahrt. Neben dem, was jedem Soldaten für Ausrüstung und Verpflegung vom Sold abgezogen wird (nicht zu vergessen den Beitrag für den Bestattungsfonds, der im Ernstfall ein stilvolles Begräbnis garantiert), behält die Verwaltung auch noch die Hälfte aller kaiserlichen Gratifikationen ein und spart das Geld an, damit der Legionär, wenn er nach fünfundzwanzigjährigem Leidensweg endlich aus der Armee entlassen wird, seinen Lebensabend in finanziell halbwegs gesicherten Verhältnissen antreten kann. Jeder neue Kaiser muß bei seiner Thronbesteigung ordentlich tief in die Tasche greifen, um sich der Treue der Legionen zu versichern, und in Krisenzeiten legt er immer noch was drauf. Also kann ein Berufssoldat damit rechnen, daß ihm seine Loyalität im Leben etliche Male honoriert wird – und da kommt ganz schön was zusammen.
Das Geld ist allerdings sakrosankt und wird von einem ganzen Rudel von Beamten verwaltet. Natürlich ist es höchst riskant, ständig so viele Kisten Bargeld an den heiß umkämpften Grenzen des Reiches rumstehen zu haben; so was schreit geradezu nach einem Skandal. Aber wenn es einen solchen je gegeben hat, dann habe ich zumindest nie davon gehört. Typisch mein Bruder, bei einer so tollen Premiere mitzumischen!
Meine Gedanken überschlugen sich. Falls bei der Fünfzehnten wirklich ein großes Loch in der Kasse klaffte, dann ließen sich schon Gründe denken, warum das noch nicht aufgeflogen war. Im Vierkaiserjahr hatte es in den Pensionskassen der Armee gleich mehrmals geklingelt, denn den vier Neulingen auf dem Thron war es begreiflicherweise ein vordringliches Anliegen, die bewaffneten Streitkräfte auf ihrer Seite zu wissen, solange der erbitterte Bürgerkrieg tobte. Und es war allgemein bekannt, daß ein Mann wie Galba vor allem darüber zu Fall kam, daß er bei seinem Amtsantritt versäumte, der Armee die üblichen Gratifikationen zu zahlen. Seine drei Nachfolger ließen sich den Anblick seiner blutüberströmten Leiche auf dem Forum eine Lehre sein und spendeten prompt. Dank all dieser Extrazuwendungen konnten die Hauptleute der getreuen Fünfzehnten gut und gern ein paar große Steine in die Schatztruhen der Legion schmuggeln, ohne daß ihr Betrug gleich entdeckt wurde.
Doch nun waren die unsicheren Zeiten vorbei. Jetzt war ihr berühmter General Vespasian Kaiser geworden und hatte seinen Allerwertesten auf dem gepolsterten Thron plaziert, entschlossen, recht lange dort oben zu bleiben: Vespasian, Sohn eines Steuereinnehmers, mit einer großen Schwäche fürs Geldzählen. Auch die Beamten bekamen durch die Rückkehr zum normalen, geregelten Alltag natürlich wieder mehr Zeit, die Gelder ordentlich zu verbuchen und diverse Listen auf ihren Papyrusrollen abzuhaken. Die Staatskasse war nach dem Krieg gähnend leer und der Beruf des Buchprüfers in Rom folglich im Kommen. Überall wieselten eifrige Wirtschaftsexperten herum und spürten fehlenden Geldern nach. Da konnte es nicht lange dauern, bis irgendwer ein Loch der Größenordnung entdeckte, wie es selbst der Kauf eines ganz kleinen Phidias in der Kasse einer Vorzeigelegion hinterlassen haben dürfte.
»Das ist aber gar nicht gut für den Ruf der Familie«, bemerkte ich.
Mein Vater sah aus wie einer, dessen Sohn, der Nationalheld, gerade vom eigenen Bruder vor aller Öffentlichkeit bloßgestellt wird. »Wir stehen scheint’s vor der Wahl, unseren guten Ruf zu verlieren oder ihn durch Opferung des Familienvermögens zu wahren.« Ein zynischer Kommentar.
»Genauer gesagt: dein Vermögen. Für mich stellt sich diese Wahl gar nicht!«
»Wer hätte das gedacht!« versetzte Geminus trocken.
»Wir müssen uns auf allerhand Ärger gefaßt machen. Auf meinen Ruf pfeife ich, aber es schmeckt mir ganz und gar nicht, daß mir wutentbrannte Soldaten bei Mama auflauern und den Schädel einschlagen wollen. Gibt’s vielleicht noch was, was ich über diese Schweinerei wissen sollte?«
»Im Moment fällt mir nichts ein.« Der Ton, in dem er das sagte, verriet mir, daß es da noch einiges herauszufinden gab.
Doch für einen Tag hatte ich genug Aufregung gehabt. Also bohrte ich nicht weiter nach, sondern wandte mich einem anderen Aspekt der Geschichte zu. »Eins
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