Poseidons Gold
waren die Abenteuer des Aeneas, hier dargestellt als ein recht schwerfälliger Kerl mit strammen Waden – eine diplomatische Anspielung des Künstlers auf die Gestalt des Eigentümers. Die Frau des Richters war bereits verstorben, was Dido eine ähnliche Schmach erspart hatte; sie durfte als üppig-sinnliches, hübsches junges Weib erscheinen, das offenbar Probleme mit dem Schließen ihrer Gewänder hatte. Jedenfalls schien der Künstler sich einiges auf seine Darstellung durchsichtiger Schleier einzubilden.
Wie der Aeneas auf den Wandbildern hatte auch Marponius einen abgeflachten Schädel und einen hellen Lockenschopf, der ihm tief in die kantige Stirn wuchs. Sein Hinterteil war zu mächtig für den kleinen Körper, weshalb er sich angewöhnt hatte, wie eine Taube mit übergroßem Schwanz herumzustolzieren. Als ich eintrat, war er gerade dabei, sich Helena als »innovativer Denker« vorzustellen. Um den Anstand zu wahren, war eine Sklavin mit im Zimmer, und Helena konnte auch auf Petro als Beschützer zählen, aber sie wußte, in welche Richtung sich das innovative »Denken« eines Mannes vom Schlage Marponius’ für gewöhnlich bewegte. Sie hörte ihm so ruhig und gefaßt zu, wie sie sich meist in angespannten Situationen nach außen hin gab, aber ich konnte die Furcht in ihrem blassen Gesicht erkennen.
Ich ging quer durchs Zimmer auf sie zu und küßte sie förmlich auf die Wange. Einen Moment lang schloß sie erleichtert die Augen. »Es tut mir so leid, Marcus …«
Ich setzte mich neben sie auf einen verschwenderisch vergoldeten Diwan und griff nach ihrer Hand. »Nein, nein, nur keine Entschuldigungen!«
»Ach, du weißt ja nicht, was ich getan habe!«
»Salve, Richter!« begrüßte ich Marponius. »Da es hier überall so penetrant nach frischer Farbe riecht, nehme ich an, daß mit wissenschaftlichen Werken immer noch gutes Geld zu machen ist?«
Marponius war sichtlich hin und her gerissen. Einerseits hätte er mir liebend gern eins aufs Dach gegeben, andererseits reizte es ihn sehr, übers Geschäft zu sprechen, denn er war mächtig stolz auf seine Errungenschaften. Unglücklicherweise war er aber auch stolz auf sein Richteramt. »Ein Jammer, daß Ihre Geschäfte Ihnen immer noch Zeit lassen, sich mit der Kriminologie abzugeben! Apropos: Wie lautet denn die Anklage gegen mein Mädchen?«
»Da steckt ihr beide drin, Falco!« Er hatte eine schrille Stimme, die einem so charmant in den Ohren klang wie eine über einen Teller fahrende Schwertklinge.
Petronius Longus senkte verlegen den Blick. Das bedrückte mich. Mein Freund machte zwar selten viel Tamtam, aber er war durchaus Manns genug, Marponius mit der Verachtung zu strafen, die er verdiente. Und wenn Petro sich in Gegenwart des Richters gar so still verhielt, dann mußte es wirklich schlimm stehen.
Er spürte meinen prüfenden Blick, sah auf, und ich nickte ihm zu. »Du schuldest meinem durchtriebenen Neffen Gaius einen Finderlohn. Aber ich möchte im Protokoll verzeichnet wissen, daß ich freiwillig hergekommen bin.« Petros ausdruckslose Miene war mir wenig hilfreich. Also wandte ich mich erneut an seinen aalglatten Vorgesetzten. »Na, um was geht’s denn, Marponius?«
»Ich warte darauf, daß jemand kommt, der als Sprecher für die Dame agiert.«
Die römische Frau ist juristisch eine Unperson; sie darf nicht vor Gericht erscheinen, sondern muß sich durch einen männlichen Verwandten vertreten lassen.
»Ich werde für sie sprechen, stellvertretend für ihren Vater.«
»Der Senator ist bereits verständigt«, spreizte sich der Richter. Helena schürzte die Lippen, und sogar Petronius zuckte zusammen. Ich hoffte inständig, Camillus Verus möge sich in irgendein unbekanntes Badehaus zurückgezogen haben.
»Falco wird für mich sprechen«, sagte Helena kühl und setzte spitz hinzu: »Wenn ich denn schon unbedingt ein männliches Sprachrohr brauche!«
»Ich muß aber auf der Anwesenheit Ihres gesetzlichen Vertreters bestehen.« Dieser Marponius war eine pedantische Nervensäge.
»Wir betrachten uns als Vermählte«, sagte Helena würdevoll. Ich versuchte, nicht wie ein Ehemann auszusehen, der gerade erfahren hat, daß die Haushaltsrechnungen dreimal so hoch sind wie erwartet.
Der Richter war sichtlich schockiert. Leise erklärte ich: »Das gesellschaftliche Ereignis liegt zwar noch in der Zukunft, aber ein Mann mit Ihrer Kenntnis der Gesetze dürfte wissen, daß die bloße Übereinkunft zweier Parteien, ihre Gemeinschaft als eine eheliche
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