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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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wieder war es zu spät gewesen. Sie hatte das Pensionszimmer also eigentlich nicht gebraucht, hätte sie besser geplant. Sie hätte schon am Vormittag zu Gudrun gehen und sie damit konfrontieren sollen, dass sie das Auto gesehen hatte. Was allerdings, so wusste sie jetzt, auch zu nichts geführt hätte.
    So musste sie den Abend in der Pension verbringen, anstatt bei ihrem Sohn in Frankfurt zu sein. Immer wieder war sie von dem fremden Bett mit der Bettwäsche, die so neutral und gestärkt war, dass man sich gar nicht heimelig fühlen konnte, aufgestanden und hatte aus dem Fenster auf den Platz geblickt. Und sie hatte den silberfarbenen VW Jetta sehen können mit dem Frankfurter Kennzeichen. Wie war es nur möglich, dass Julius auf den wenigen Metern zwischen dem Novalisplatz und der Wettersteinstraße Nummer 9 spurlos verschwunden war? Sie hatte ihren Kopf an die kühle Fensterscheibe gelehnt und über den nächtlichen Novalisplatz geblickt. Dabei hatte sie sich gefühlt, als sei sie gestorben. Aber nicht ganz tot, sondern so, als hätte sie einfach nur ihr Leben verlassen. Als sei sie einen Schritt daraus hervorgetreten, hätte es hinter sich gelassen. Aber das neue Leben war noch nicht da und auch nicht das Ende. Sie befand sich vielmehr in einem Zwischenreich, einem Schwebezustand, derFortgang war ungewiss. Jetzt wusste sie, hatte Beate gedacht, was es bedeutete, wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Buchstäblich.
    Sie entfernte sich von Lohdorf und wollte mit jedem Kilometer mehr das vergessen, was sie dort erlebt hatte. Sie würde später darüber nachdenken, was als Nächstes zu tun war. Zu Hause, in Sicherheit. Notfalls würden sie und Klaus alleine zurechtkommen. Vielleicht tauchte Julius wieder auf. Vielleicht aber war er tot. Dann würde die da unten büßen müssen. Gudrun von Rechlin. Wenigstens, so beruhigte sich Beate, hatte sie noch mit Annette gesprochen. Das war sie ihr schuldig. Immerhin hatte die Tochter sie aufgenommen. Beate glaubte, dass die junge Rechlin ein guter Mensch war, nicht so durch und durch verdorben wie ihre Mutter. Sie hatte es verdient, dass Beate ihr die Augen öffnete. Sie hatte Annette von Rechlin gesagt, dass ihre Mutter im Keller einen Mann gefangen hielt. Allerdings war Beate überrascht gewesen, dass Annette ihr auf Anhieb geglaubt hatte. Sie hatte sich sogar bei Beate für die Information bedankt, sie in den Arm genommen und ihr eine gute Heimreise gewünscht. Dann konnte Beate fahren. Sie hatte in der Tochter den Samen gesät, und wenngleich sie nicht selbst vor Ort sein konnte, um Gudrun und ihrem Freund, dem Einäugigen, den Mord an ihrem Ehemann nachzuweisen, so konnte sie doch gewiss sein, dass die alte Rechlin von nun an nicht unbeobachtet blieb.
    *
    Stifter bremste vor dem Gartenzaun der Familie Lanz und stieg von seinem Fahrrad. Heute war er überraschend früh fertig, es war erst kurz nach eins. Er hatte sich am Morgenentschieden, mit seinem eigenen Fahrrad zur Post zu fahren, und deshalb für den Nachhauseweg auch nur zehn Minuten statt dreißig gebraucht. Während er sein Rad durch den Garten schob, auf seine kleine Holzhütte zu, dachte er an Herrn Regmeier. Der hatte heute wieder am Wendehammer der Chamissostraße auf ihn gewartet und sich seine Post von ihm geben lassen. Dann hatte er nervös zwei Briefe aus der Post gefingert und ihn gebeten, die restliche Post – ohnehin nur Werbesendungen – in den Briefkasten zu werfen. Um erneut grußlos davonzufahren. Stifter glaubte Herrn Regmeier nicht, dass es dabei um eine Geburtstagsüberraschung für seine Frau ging. Er hatte die Briefe am Morgen bei der Sortierung in der Hand gehabt, es waren Schreiben, die an Herrn Regmeier persönlich adressiert waren. Das eine von der Bank, das andere von einem Anwalt. Herr Regmeier schien in Schwierigkeiten zu stecken, und er wollte partout nicht, dass seine Frau etwas davon erfuhr. Aber das war die Privatsache dieses Mannes und ging ihn nichts an. Ihm tat nur die Frau leid. Sie war immer ausgesprochen freundlich, aber auch schüchtern. Es schien sie viel Kraft zu kosten, die beiden Kleinen in Schach zu halten; wenn Stifter ihr morgens begegnete, war sie meistens noch im Hausanzug, ungeschminkt, und hatte tiefe Ringe unter den Augen. Sicherlich bedauerte sie es, dass der Garten rund ums Haus noch nicht begehbar war.
    Während er die unversperrte Tür zu seiner Hütte öffnete und ihm die stickig-warme Luft aus dem Zimmer entgegenschlug, dachte er, dass es

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