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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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eigentlich an der Zeit war, dass der Garten der Familie angelegt wurde. Schließlich waren Regmeiers bereits im Frühjahr eingezogen, und jetzt, im Spätsommer, war es doch Zeit, Beete zu bepflanzen und Rasen zu säen. Dann könnten die zwei Jungs im kommenden Jahr aufdem Grundstück tollen, anstatt immer nur ihre Kreise auf der Holzterrasse zu ziehen. Aber was ging ihn das schon an. Er ermahnte sich, weniger über das Leben der Menschen, denen er die Post brachte, nachzugrübeln. Wenn die Regmeiers die nächsten zehn Jahre keinen Garten hatten – was ging ihn das an? Und wenn Annette von Rechlin süchtig war und sich von ihrer Mutter gängeln ließ – es war nichts, worüber er sich den Kopf zerbrechen sollte.
    Er öffnete das Fenster über dem noch ungemachten Bett und schob die hölzernen Fensterläden auf, als sein Blick auf Noah fiel, der mit dem Bauch auf dem großen blauen Trampolin im Garten lag, alle viere weit von sich gestreckt. Er lag reglos da, wie tot, aber als Stifter genau hinsah, bemerkte er, dass der Körper auf dem Sprungtuch ganz leicht auf und ab wippte. Als er einen der Fensterläden einhakte, blickte Noah auf. Unter dem schwarzen Haarvorhang war sein Gesicht nicht zu sehen, nur ein Auge starrte darunter hervor. Stifter hob eine Hand und grüßte.
    »Hallo!«
    Noah gab keine Antwort, er starrte still und wippte leicht. Stifter wendete sich ab und holte das Steak aus seiner Tasche, das er auf dem Nachhauseweg vom Metzger besorgt hatte. Er hatte noch Kartoffeln von gestern, die würde er sich in der Pfanne aufbraten. Zusammen mit einem Salat war das eine phantastische Mahlzeit. Plötzlich fiel ein Schatten auf die kleine Küchenzeile. Noah stand in der geöffneten Tür. Er sagte noch immer kein Wort.
    »Heute früher Schule ausgehabt?«, erkundigte sich der Postbote, während er den Herd anmachte und einen Schuss Öl in die Pfanne goss.
    Noah ging, ohne ihm zu antworten, an Stifter vorbei und schmiss sich auf dessen Bett. »Bin heut nicht gegangen.«
    Während er weiterhantierte, fragte Stifter über die Schulter: »Bist du krank?«
    »Nee. Nicht direkt.«
    Er hatte keine Lust, dem Jungen alles aus der Nase zu ziehen. Also beschloss er, einfach weiterzukochen. Wenn Noah etwas auf dem Herzen hatte, dann würde er schon damit rausrücken, schließlich war er ja zu ihm in die Hütte gekommen. Er schnitt die speckigen Kartoffeln in Scheiben, zupfte die Salatblätter und prüfte nebenbei, ob die Pfanne heiß genug war.
    »Bin gestern sozusagen in ein Grab gefallen.«
    »Was?« Stifter drehte sich amüsiert um, wohl wissend, dass Noah eine kleine Begebenheit dramatisch aufbauschte. Aber dann erkannte er, dass der Junge, der heute noch weißer war als sonst, ein eingefallenes Gesicht hatte und ihn voller Angst anblickte.
    »Wie? Wie ist das denn passiert?«
    Noah versteckte seine Hände zwischen den langen dünnen Beinen und schaute weg. Es würde keine Heldengeschichte folgen, das war Stifter sofort klar. Noah schämte sich, und er wusste nicht, wo beginnen.
    »Ich hab doch den Luki gestern nach Hause gebracht. Und als wir in der Wettersteinstraße waren, haben wir uns gedacht …«
    Stifter schmiss das Steak in die Pfanne und noch eine Knoblauchzehe dazu. Ihm schwante nichts Gutes.
    »Wir sind halt über die Mauer. Bei denen da oben …«
    »Bei den Rechlins?« Er hatte es geahnt.
    Noah holte ordentlich Anlauf. »Boah, das sind so Freaks,Alter! Wir sind halt rüber, weil wir dachten, einfach mal gucken und so, ist ja nicht schlimm, keine Ahnung. Wir wollten ja nichts klauen oder so, einfach nur rüber und gucken. Und plötzlich, es war voll dunkel, ich hab nichts gesehen, und auf einmal geht’s total tief runter! Alter, ich hab so einen Schreck gekriegt.«
    Verdientermaßen, dachte Stifter, verkniff sich aber den Kommentar. Er wendete das Steak und warf einen kurzen Blick zu dem Teenager, der auf seinem Bett saß. Dadurch fühlte sich Noah ermutigt, mit seiner Geschichte fortzufahren. Er stand sogar auf und stellte sich neben Stifter an den Herd.
    »Das war ’n Grab, Alter! Voll fett. Ich hab’s natürlich nicht gesehen, ich bin halt reingefallen und wusste erst mal nicht, wo ich bin. Aber dann hat mich was geblendet.«
    Johannes Stifter seufzte. »Also seid ihr auch noch erwischt worden.«
    Noah nickte zerknirscht. »Ja, Mann.«
    »Von wem?« Stifter wickelte sein Steak in Alufolie und legte es in den vorgewärmten Backofen, anschließend warf er die Kartoffelscheiben in die noch heiße Pfanne.

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