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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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bewiesen.«
    »Bitte. Wenn du denkst, dass du so weiterkommst. Ich habe keine Angst vor dir.« Gudrun setzte sich an den Tisch, zog die graue Strickjacke eng um ihren zarten Körper und nippte am Schnaps. Er brannte sofort auf der Zunge und im Rachen. Bis er sich im Magen ausbreitete, würde es noch eine Weile dauern, dafür umso nachhaltiger wirken.
    Annette sog die Luft scharf ein. »Ich habe nicht erwartet, dass du sie mir widerspruchslos gibst.« Ihre Augen zuckten wieder zu dem Schnapsglas, aber zur großen Verwunderung ihrer Mutter konnte sie sich beherrschen. »Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich alles tun werde, um den Mann zu befreien.«
    »Du weißt, was dann passiert?« Gudrun versuchte lächelnd,ihre Contenance zu halten. »Die Polizei kommt. Ich werde verhaftet. Das Haus kommt unter den Hammer. Du hast kein Geld, nur Schulden. Und obendrein kein Dach über dem Kopf.«
    Annettes Augen zuckten wieder zu dem Schnapsglas. »Vielleicht ist das nicht das Schlechteste. Dann bin ich dich wenigstens los.« Damit fasste sie rasch nach dem Enzian, setzte ihn an die Lippen und ließ die Flüssigkeit, ohne ein einziges Mal zu schlucken, die Kehle hinabrinnen. Dann stellte sie das Glas mit Wucht zurück auf den Tisch und stieg die Treppen hinunter.
    Gudrun von Rechlin lauschte auf die Schritte der Tochter und dachte, dass sie es umgekehrt genauso empfand. Wenn sie diesen Klotz am Bein nur endlich los wäre.
    *
    An der Holländischen Straße, Ecke Emmentaler setzte er Noah ab. Dieses Gebiet gehörte nicht zu seinem Zustellbezirk, war ihm aber direkt benachbart. Stifter beobachtete durch die Scheibe, wie Noah zu dem Gartentor ging und es ohne zu klingeln aufstieß. Tor und Zaun waren vor vielen Jahren grün lackiert gewesen, doch mittlerweile war die Farbe abgebröckelt und das darunter zum Vorschein kommende Holz ausgeblichen. Der Garten wirkte nicht gepflegt, aber liebevoll gestaltet. Selbstgebastelte Windräder, ein Baumhaus und in der hintersten Gartenecke versteckt ein Tipi ließen darauf schließen, dass dieser Garten einstmals ein Kinderparadies gewesen war. Nun waren die Spielgeräte allesamt verwittert, außer dem Basketballkorb, der an einer hohen Fichte montiert war. Das Haus selbst war ein gemütliches Spitzdachhaus,das einen neuen Anstrich verdient hätte, aber durch die bunten Vorhänge, die Windspiele und selbstgetöpferten Figuren in den Nischen dennoch einen freundlichen Eindruck machte. Hier wohnte also Lukas, Noahs Busenfreund, der uninspirierte Saxophonspieler.
    Noah sah sich nach Stifter um, er fühlte sich beobachtet, schließlich war er dem Alter entwachsen, in dem die Eltern unbedingt so lange warteten, bis das Kind in der Sicherheit des Hauses war, bevor sie ihren Weg fortsetzten. Stifter hob die Hand, zum Zeichen, dass er verstanden hatte, und gab Gas. Er würde noch am Novalisplatz vorbeifahren, um für Thalmeier das Kennzeichen des Mercedes aus Ungarn zu notieren.
    Sein Weg führte ihn durch die Pestalozzistraße, und just als er das Haus der verrückten Edeltraud, der diebischen Dame mit dem Nerzmantel und den Soldatenstiefeln, passierte, öffnete sich dort das Gartentor, und der einäugige Greis trat auf die Straße. Einen Moment lang war Stifter irritiert, aber dann fiel ihm Herrn Hiemers Bemerkung ein, der den alten Mann für Gudrun von Rechlins Gärtner gehalten hatte. Vermutlich, so dachte Stifter, bot der Alte hier oben im Villenviertel saisonal seine Arbeitskraft an. Und war sowohl bei den Rechlins als auch bei der verrückten Edeltraud fündig geworden. Was die nächtlichen Aktivitäten auf dem Rechlinschen Grundstück weniger schauerlich denn plausibel machte. Johannes Stifter entschied daraufhin, das Kennzeichen nicht aufzuschreiben, schließlich ging es nicht an, einem alten Mann, der sich keines offensichtlichen Vergehens schuldig gemacht hatte, hinterherzuspionieren.
    *
    In seinem wahren Leben, einem Leben in Freiheit, hätte er das Brot, das vor ihm auf dem Teller lag, nicht angerührt. Aber hier unten, in der Gefangenschaft, in dem muffigen Keller, hier schmeckte das Pumpernickelbrot mit dem billigen Scheibenkäse köstlich. Es war das Beste, was er seit langem zu sich genommen hatte, und er biss erneut ein großes Stück davon ab. Er wollte nicht schlingen, wollte sich eine Ration aufheben, denn schließlich hatten die Tage hier unten gezeigt, dass die Wasser- und Nahrungsmittelzufuhr nur sehr sporadisch erfolgten. Er konnte nie wissen, wann er nur einen Becher Wasser

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