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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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gewesen war, Julius’ naivem Plan zu vertrauen!
    Sie schob sich ein Kissen hinter den Rücken und richtete sich schwerfällig auf. Sie hatte Atemnot, ein Alb saß auf ihrer Brust. Gudrun fischte nach dem Fläschchen Pfefferminzöl, das sie in ihrer Nachttischschublade hatte und rieb sich ein paar Tropfen davon auf die dünne Haut über ihrem Brustkorb. Von ihrem Bett aus sah sie aus dem Fenster und betrachtete die dicken weißen Kumuluswolken am blauen Himmel. Sie atmete dreimal tief durch die Nase ein. Obwohl der Druck auf der Brust nicht wich, fühlte sie sich ein wenig von dem starken Duft des Öls erfrischt. In Gedanken spielte sie alle Möglichkeiten noch einmal durch. So hatte sie schon die halbe Nacht gegrübelt und immer wieder war sie nur auf die eine Lösung gekommen: Wenn der Banker ihr sein Geld vermachenwürde. Wenn er ein Testament aufsetzen würde. Zu ihren Gunsten. Dann …
    Den Text des Testaments hatte sie bereits vorformuliert. Er würde sich schuldig fühlen müssen an der Notlage der Menschen, die er um ihr Vermögen, ihre Altersanlage, gebracht hatte. Natürlich wäre es auffällig, wenn nur sie in dem Wisch namentlich genannt würde. Aber wenn man Heims dazu bringen könnte, dieses Schreiben aufzusetzen, dann würde man auch die Namen weiterer Geschädigter aus dem Fonds aus ihm pressen können. Die Klingers und zwei andere. Das würde reichen. Wenn er so viel Geld hatte, wie sie annahm. Ein halbe Million würde ihr vorerst reichen, um die Zwangsversteigerung abzuwenden. Das müsste doch drin sein, bei allem, was man so las über seinen Lebenswandel und dem von seinesgleichen.
    Gudrun von Rechlin schwang jetzt die Beine aus dem Bett und blieb für ein paar Sekunden auf der Bettkante sitzen, bevor sie aufstand, sich ihre Strickjacke überwarf und in die Küche ging.
    Harald hatte schon gefrühstückt, sein gebrauchtes Geschirr stand noch auf dem Tisch. Er hatte es nicht für nötig gehalten, es wegzuräumen, und Gudrun spürte ihre kalte Wut, dass er sich bei ihr einrichtete, als sei es eine Selbstverständlichkeit. Wer war sie, dass sie ihm hinterherräumte? Sie war nicht seine Ehefrau, dass er ihre Dienste ungefragt in Anspruch nehmen durfte! Sie nahm Teller und Tasse und stellte beides so ungestüm in die Spüle, dass es laut klirrte. Gudrun schalt sich selbst ein dummes Huhn, dass sie all die Jahre, Jahrzehnte!, einem romantischen Jungmädchentraum vom edlen Ritter nachgehangen hatte, der hoch zu Ross kommen und sie erlösen würde. Von ihren kranken Eltern. Von ihrem gebrechlichenund betrügerischen Ehemann. Von ihrer missratenen Tochter. Sie hatte Harald glühende Liebesbriefe geschrieben, sich nach ihm verzehrt, hatte sich erinnert an das Feuer, das er in ihr entfacht und dessen Glut sie immer in ihrem Herzen verborgen hatte. Wie zum Trotz musste Volkmar so lange leben, bis sie verblüht war und ihr Geliebter ein hässlicher Greis. Und seit ein paar Tagen, seit Harald ihr zur Hand ging, spürte sie, dass das Feuer in ihr erloschen war. Es hatte sie am Leben gehalten, hatte ihr Hoffnung und Zuversicht gegeben. Aber nun war sie eine gebrechliche Frau, die an etwas Unmöglichem festhielt und nicht begreifen wollte, dass ihr Traum geplatzt und ihre Zeit abgelaufen war. Sie war ein Haufen kalter Asche.
    Ihr Schnapsglas stand noch in der Spüle, und Gudrun holte erneut den Enzian hervor. Sie goss sich einen winzigen Schluck ein, nicht mehr als einen Fingerhut voll, aber die Menge reichte aus, um sie ein wenig zu erwärmen und sie zu motivieren, den Tag in Angriff zu nehmen.
    Sie hatte also einen neuen Plan. Der Mann war verschwunden, und noch schien ihn niemand zu suchen. Sie hatte jeden Tag in der Zeitung nachgesehen, aber bislang stand nichts von einem vermissten Banker darin. Man würde ihn in ein paar Tagen auffinden. Er hatte sich das Leben genommen und einen Abschiedsbrief hinterlassen. Der Gedanke gefiel ihr, und Gudrun beschloss, den Tag im Garten zu verbringen. Sie würde ihr neues Beet mit den Obststräuchern pflegen. Sich später mit einem Kaffee auf die Terrasse in die Sonne setzen. An ihrem Plan feilen und sich eine Vorgehensweise zurechtlegen. Und am Nachmittag würde sie einkaufen. Damit sie heute Abend etwas Gutes zu essen auf den Tisch stellen konnte. Harald sollte sich wohl fühlen. Und sichstärken. Er war der größte Unsicherheitsfaktor bei der Umsetzung ihres Plans. Ohne ihn würde sie nicht das schaffen, was sie sich vorgenommen hatte. Sie wusste, dass er keine Skrupel

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