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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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am Fuß der Treppe hockte, beinahe lang hingeschlagen wäre. Gleichzeitig wich sie vor ihm zurück und schob sich erneut an der Mauer hoch. Sie schrie in so einem hohen Ton, dass Stifter gewiss war, man könne es noch am Novalisplatz hören.
    »Halten Sie mich nicht für bescheuert«, schrie sie außer sich, und ihr zuvor graues Gesicht nahm eine rote Färbung an. »Ihr glaubt doch alle, ich bin nicht mehr dicht!« Nun lief ihr vor Eifer ein Speichelfaden aus dem Mundwinkel. »Ihr Scheißtypen! Du und Jürgen und alle!«
    Stifter sah sich unwohl um, aber die Wettersteinstraße warwie leergefegt, und er sah sich allein dem Angriff der betrunkenen Frau ausgesetzt.
    »Aber ich finde den Schlüssel, da könnt ihr Gift drauf nehmen, ihr Arschlöcher alle!« Langsam verließ sie ihre Stimme, und ihr Wutausbruch drohte wieder in einem Weinkrampf zu verebben. »Ihr Scheißtypen. Ich hol ihn da raus.«
    Annette von Rechlin drehte sich von Stifter weg zur Wand des Hauses und tastete sich langsam vor zu ihrer Tür. Währenddessen murmelte sie Unverständliches und schluchzte zwischendurch laut. Stifter beobachtete sie und war auf dem Sprung. Sollte sie stolpern, war er bereit, sie zu stützen. Aber es gelang ihr, sich unfallfrei zu ihrer Tür vorzurobben, die sie öffnete, um dann im Schlund des dunklen Flurs zu verschwinden. Johannes Stifter sprang schnell auf und bot ihr noch seine Hilfe an, aber Annette von Rechlin sah ihn mit ihrem verheulten Gesicht ausdruckslos an und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
    Eine Weile noch blieb Stifter davor stehen und horchte ins Innere des Hauses, aber es war kein Laut von drinnen zu hören. Er fühlte unendliches Mitleid mit Annette von Rechlin.
    *
    Gudrun lauschte hinter ihrer Tür auf das Zuklappen des Gartentores. Dann lugte sie vorsichtig hinter der kleinen Spitzengardine aus dem Fenster der Gästetoilette und sah, dass der vermaledeite Postbote sich auf sein Fahrrad schwang. Er warf noch einen besorgten Blick zurück auf Annettes Haustür, fuhr dann aber zu ihren Nachbarn weiter. Gudrun war überzeugt, dass er ihrer Tochter kein Wort geglaubt hatte. Die blöde Pute hatte so laut gebrüllt, dass sie jedes Wort verstehenkonnte. Aber sie war stockbesoffen gewesen, und damit war ihre Räuberpistole vom Mann, der im Keller gefangen war, absolut unglaubhaft.
    Jetzt war die Luft rein, und die alte Frau öffnete die Tür. Schnell ging sie hinüber zur Garage. Sie musste endlich an die Kapsel in Julius’ Hosentasche kommen. Jetzt sollte alles so schnell wie möglich über die Bühne gehen. Sie musste Harald davon überzeugen, den Mann zurück nach Frankfurt zu bringen. In irgendein Waldstück. Dort würde er ihm Julius’ Kapsel geben, von der sie hoffte, dass sich diese noch in der Hosentasche befand. Seinen Abschiedsbrief und das Testament müsste der Mann dabei haben, wenn er gefunden würde. Es war zu gefährlich, das in seiner Wohnung zu deponieren, zumal sie seine Privatadresse gar nicht kannte. Sie hatte bereits alles vorformuliert, nun kam es darauf an, den Mann unter Druck zu setzen, den Wisch zu schreiben. Möglichst schnell, möglichst noch heute. Annette schien zu allem in der Lage zu sein, sie war eine Gefahr.
    Gudrun von Rechlin hatte die Klinke der Garagentür bereits in der Hand und drückte sie herunter. Kaum hatte sie die Tür einen Spalt geöffnet, drang bestialischer Gestank aus dem dunklen Raum. Scharf und beißend. Rasch schloss sie die Tür und die Augen. Ihr war augenblicklich schlecht geworden. Sie kannte den Gestank. Sie kannte ihn aus ihrer Jugend, als sie durch das vom Krieg verwüstete Land geflohen waren. Verwesende Körper rochen so, und mit dem Geruch kam die Erinnerung wieder zurück. Die Bilder, die sie erfolgreich verdrängt hatte. Von Leichen auf den Feldern und in den Straßengräben. Kinder, Männer, Frauen, Tiere. Sobald Gudrun ihre Augen wieder geöffnet hatte, fiel ihr Blick auf den Polizeiwagen, der langsam an ihrem Grundstück vorbeifuhr.Zwei junge Polizisten warfen einen Blick auf ihr Haus und dann auf sie. Ihr war, als setzte ihr Herz aus.
    Die Polizisten schienen ein kleines Stück nach ihrem Haus gehalten zu haben, denn sie konnte das Polizeiauto zwar nicht sehen, hörte aber die Türen klappen. Kurz darauf standen sie vor ihrem Gartentor. Zwei junge Beamte in Uniform. Sie nickten Gudrun freundlich zu, die sich fasste, zu einem Lächeln zwang und ein paar Schritte auf sie zutrat.
    »Frau von Rechlin?«, erkundigte sich der eine

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