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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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der Fallensteller sich ihm gegenüber an den Tisch setzte und diesen anstieß, daß der Steaksaft über den Tellerrand schwappte. Der Idiot wußte nicht, wann er sich dünnzumachen hatte.
    »He, alter Knabe, ich muß was Wichtiges mit dir bereden.«
    »Wichtig für wen, für dich oder für mich?« erwiderte Loyal mit dem Mund voll zähem Fleisch.
    »Nein, im Ernst, wie läuft’s mit den Kojoten? Schon einen erwischt?«
    »Hmm«, machte Loyal.
    »Ja? Wie viele? Drei oder vier?« Der Kompagnon kam mit einem Holzstuhl herüber. Er setzte sich. Der Stuhl ragte in den Raum.
    »Zwölf. Geht dich nichts an.«
    »Tja, vielleicht doch. Wir haben uns gedacht, daß du vielleicht großes Geld verdienen willst. Wir haben uns gedacht, daß du vielleicht was Großes erlegen willst, statt mit Kojoten rumzufurzen. Wir können’nen Helfer mit’n bißchen Erfahrung brauchen.’n Helfer beim Fallenstellen. Das Geld ist spitze.« Er lachte, und Loyal merkte, daß er geflüstert hatte.
    »Was jagt ihr?« fragte Loyal.
    »Ah-ah-ah! Damit wär’ die Sache verraten. Sag du’s ihm, Sam.«
    »Das wird’n bißchen abartig klingen, Mann, aber es gibt in Japan und Korea und China’nen Markt für bestimmte Substanzen. Aphrodisiaka.«
    »Was zum Teufel ist das denn?« Sie flüsterten alle.
    »Zeug, von dem die Japanertypen glauben, daß ihr Schwanz doppelt so groß wird und sie drei Tage’nen Steifen haben. Sexzeug. Hast bestimmt schon davon gehört. Wie Spanische Fliege, nur daß sie keine Spanische Fliege wollen. Sie wollen Rhinozeroshorn. Sie wollen pulverisierte Elchzähne. Sie wollen Paste aus Säbelzahntigerfossilien. Sie wollen die Gallenblasen von Schwarzbären.« Bären. Das war der Geruch. Der Kompagnon redete, während Sylvester, der Bärenfänger, nickte.
    »Sie zahlen die ganz, ganz dicke Knete dafür. Außerdem haben wir’nen Markt für die Felle. Wir machen Geld, das glaubst du gar nicht. Haben in Maine und Florida gearbeitet, oben in Kanada. Ist echt hart nur zu zweit. Wir hatten noch einen, aber der hat aufgehört und sich nach Hawaii zurückgezogen. Könnten jemand brauchen, der mit uns arbeitet. Zu dritt läuft’s besser. Cloves sagt, du bist ein guter Fallensteller.« Loyal wollte zum Spiegel schauen und sehen, ob der kleine Cowboy das Getuschel mitbekam.
    »Verdammt, Jungs, das hört sich lukrativ an, aber ich hab”ne schwache Pumpe. Kann keine schwere Arbeit machen. Bären hören sich für mich nach schwerer Arbeit an.«
    »Du bräuchtest die schweren Sachen nicht zu machen, nur die Fallen aufstellen. Wir würden uns um die Bären kümmern, Mann. So schwer ist die Arbeit gar nicht, brauchst sie nur aufzuschneiden, die Gallenblase rauszunehmen und die Klauen rauszuschneiden. Mensch, die meiste Zeit scheren wir uns um die Felle gar nicht. Dafür haben wir keine Zeit. Die Felle, das Abziehen. Das wär’ dein Anteil.«
    »Ich hab’ zu meiner Zeit die eine oder andere Bärenfalle gehoben. Die wiegen fast fuffzig Pfund, und das ist’ne ganze Menge. Außerdem gefällt mir die Gegend hier nicht. Zieh’ nächste Woche weiter.« Bislang hatte er nicht gewußt, daß er zur Ranch der Sagines zurückwollte. Er würde noch diese Nacht fahren müssen. Das waren nicht die Typen, die man stehenließ, wenn sie einem ihre dreckigen Geheimnisse enthüllt hatten. Er sah sich mit zwanzig schäbigen klauenlosen Bärenfellen zur Pelzversteigerung fahren. Das würde ein Gerede geben.
    »Danke der Nachfrage. Ich verabschiede mich einfach.« Er reichte dem Barmann den Teller mit dem Steak.
    »Ob du mir das wohl in’ne Plastiktüte packen könntest. Wir zahnlosen alten Köter müssen vorsichtig kauen.« Als er die Tüte nahm, blickte er im Spiegel zum kleinen Cowboy. Aber von ihm wollte er auch nichts wissen.

41
    Der tropische Garten

    Dick, in weißes Leinen gekleidet, saß Dub in einem ausladenden Korbsessel und frühstückte vor Sonnenaufgang neben dem Pool. Einen eisgekühlten Champagner-Orangen-Cocktail, eine Melone mit opalgrünem Fruchtfleisch und einem Schuß Saft von grünen Mandarinen, dann Landschinken und aus Japan eingeflogene Wachteleier, pechschwarzen Kaffee, der für den ganzen Tag aufputschte. Er trank normalerweise zwanzig Tassen davon, bis ihm die Hände zitterten.
    Seine Hände waren ruhig, als Mernelle anrief und ihn mit ihrer Nordstaaten-Stimme fragte, was er davon hielt, Mas Ehering neben Pa zu begraben. Weil sie mehr nicht hatten. Das würde es ihnen etwas leichter machen. Sie habe den Ring ein paar Wochen zuvor

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