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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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spezialisiert.«
    »Was kann das schon bringen, hätte nicht gedacht, daß man davon leben kann.«
    »Bringt so viel ein, daß Dr. Witkin’nen dicken Buick fahren und’ne goldene Armbanduhr tragen kann. Und vierzig Hektar von deinem Land kaufen. Natürlich muß er’n Wegerecht zum Hügel rauf kriegen.«
    »Was ist das für ein Name, Witkin?«
    »Ist, glaub’ ich, ein deutscher oder jüdischer Name.«
    »Verstehe«, sagte Jewell. Sie holte langsam Luft. Er hätte auch »ein chinesischer« sagen können.
    Die Küche hatte sich nicht verändert, dachte Ronnie. Minks schmutzige Stallmütze hing noch immer am Haken neben der Tür. Das Linoleum, der über die Wände kriechende Efeu sahen aus, wie sie immer ausgesehen hatten. Auf einem verschrammten Brett lag ein halber Laib Brot, daneben das Messer mit der abgebrochenen Spitze; der Spülstein stand voll angeschlagenem Geschirr. Bei sich zu Hause hatte er sämtliche alten Küchenarmaturen herausgerissen, als er geheiratet hatte, über den Kiefernbohlen Fliesen verlegt, ein sauberer Boden, auf dem der kleine Buddy herumkrabbeln konnte, eine Eßecke aus Chrom und Resopal, ein kombinierter Öl-Gas-Herd. Die alte Sommerküche hatte er zu seinem Immobilienbüro umfunktioniert. Ein Schreibtisch, drei Stühle, Telefon an der Wand, eine große teure Fototapete von herbstlichen Bergen. Er wußte nicht, wie Loyal reagieren würde, wenn er zurückkäme und entdeckte, daß die Farm verkauft war. Die Schuld würde er nicht sich selbst, Mink oder Dub geben, auch nicht Jewell oder Mernelle; er würde Ronnie Nipple die Schuld in die Schuhe schieben. Aber soweit war es noch nicht.
    Zwei Tage später war Ronnie wieder da, kam mit den Papieren aus dem Nieselregen, damit sie sie unterschrieb, die Dokumente, die harten Verträge und Pfandrechtsurkunden. Am Rand seines Schuhs krümmte sich ein Regenwurm, steckte in der gerippten Sohle fest. Aber sein Kugelschreiber wollte nicht funktionieren, wie sehr sie auch versuchten, damit auf eine Umschlagrückseite zu kritzeln. Jewell mußte Minks alten Federhalter mit dem gefleckten grünen Griff und das fast leere Tintenfaß holen und ihren Namen hinkratzen. Die Farm war fort. Nur das Haus auf einem achttausend Quadratmeter großen Eiland gehörte noch ihr.
    »Ich will Auto fahren lernen, Ronnie«, sagte Jewell. »Wie mach’ ich das? Da draußen steht der Wagen, er müßte eigentlich in Ordnung sein. Ich bin entschlossen, es zu lernen.«
    »Das kann ich dir beibringen, Jewell. Unsinnig, jemand zu bezahlen, wenn du Nachbarn hast. Ist’ne gute Idee. Auf die Weise kommst du raus. Ich nehm’ heut die Batterie mit und lad’ sie auf. Es heißt, in der Konservenfabrik werden Leute eingestellt. Hab’ gehört, sie nehmen auch ältere Frauen. Ich weiß nicht, ob dir an so’ner Arbeit was liegen würde, aber du könntest hin- und herfahren. Denk mal drüber nach.« Seine Erleichterung erwärmte den Raum. Eine alte Nachbarin konnte eine schreckliche Last sein. Aber wenn sie ein eigenes Einkommen hatte …
    »Du wirst ein Telefon brauchen, Jewell. Ich ruf’ an, lass’ dir jemand kommen.«
    »Wenn du wüßtest, wie oft ich mir gewünscht hab’, fahren zu können. Bestimmt wär’ alles anders gelaufen, wenn ich schon vor Jahren rausgekommen wär’ und mir’ne Arbeit gesucht hätte, aber Mink wollte nichts davon wissen. Hat jedesmal’nen Anfall gekriegt, wenn ich irgendwohin wollte.« Erinnerte sich an die Kartenrunde bei Otts Frau und wie sie deswegen jedesmal tagelang gestritten hatten. Mink hatte seine Wut wie ein Nachthemd ins Bett mitgenommen, aber einmal hatte sie den Mund aufgemacht.
    »Also, mir ist egal, wie du dein’ Mund zusammenkneifst und auf den Worten rumkaust, ich geh’ zu der Kartenrunde. Dachte, du freust dich, daß die Frau von deinem eigenen Bruder zu’ner Kartenrunde einlädt.« Flüsterte verärgert im Dunkeln. Sie hatten sich angewöhnt, im Bett zu flüstern, seit Loyal ein Säugling gewesen war.
    Mink drehte den Kopf auf dem flachen Kissen herum, flüsterte zurück: »Warum zum Teufel soll ich mich denn freuen? Und was zum Teufel hat es mit den Bohnenpreisen zu tun, wer einlädt? Muß nett sein, am Samstagnachmittag zu’ner Party davonzustelzen, die Arbeit liegenzulassen, nur um sich zu amüsieren. Du weißt ja nicht mal, wie man Karten spielt. Und ich soll auch alles stehen- und liegenlassen und dich rüberfahren, rumsitzen, dich zurückbringen. Wär’ froh, wenn ich alles hinschmeißen könnte und verschwinden und mich

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