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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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amüsieren -«, er suchte nach einem Beispiel für liederliches Amüsement, »- einfach abhauen könnte und zum Kegeln gehen.«
    Sie hatte ihr Lachen unterdrückt, das sie bei der Vorstellung ankam, Mink könnte in seinen mit Dung verklebten Stallstiefeln grimmig auf einer Kegelbahn stehen, die Kugel wie eine Bombe in seinen knorrigen Händen. Sie wäre an der Vorstellung fast erstickt. Ihre Schultern bebten, sie vergrub das Gesicht im Kissen.
    »Verdammt noch mal, wenn’s so wichtig ist, dann geh halt, geh nur! Um Himmels willen, du brauchst deswegen nicht zu heulen. Geh nur! Wer hält dich?«
    Aber sie konnte nicht aufhören. Daß er ihr Lachen für Schluchzen hielt, machte die Sache noch komischer. Mink beim Kegeln. Sie am Flennen, weil sie nicht zu einer blöden Kartenrunde gehen durfte.
    »O je, o je, o je«, stöhnte sie. »So hab’ ich noch nie gelacht.«
    Er seufzte, das bittere Schnauben eines Mannes, der mit seiner Geduld am Ende ist. »Ich weiß, wo Dub seine Blödeleien herhat.«
    Sie war schon fast eingeschlafen, als er erneut flüsterte: »Wie willst du rüber- und wieder zurückkommen? Ich muß melken.«
    »Ich fahr’ mit Mrs. Nipple rüber. Ronnie bringt sie hin. Loyal könnte uns abholen, Ronnie die zweite Fahrt ersparen. Er hat auch Kühe, weißt du. Um fünf. Es geht von eins bis fünf. Ich fang’ mit dem Abendessen am Vormittag an,’nen guten Hühnereintopf oder so was, der wird schnell heiß, wenn ich heimkomme.«
    »Dann müssen wir wohl.«
    Sie schlief schon und schnarchte, war sich kaum seiner Wärme bewußt, seines harten Arms um ihre Taille, als er sie eng an sich zog, seine Klappmesserknie von hinten in ihre Knie schob …
    »Was ist mit Mernelle? Wär’ gut, wenn Mernelle es auch lernen würde.« Ronnie, der immer noch vom Fahrenlernen redete, holte sie wieder zurück.
    »Glaube kaum, daß es sie interessiert. Mernelle führt was im Schilde. Sagt mir kein Wort. Ich weiß nicht, was los ist, aber sie verbringt die eine Hälfte der Zeit oben in ihrem Zimmer, die andere Hälfte drüben bei Darlene und den Rest am Briefkasten, um auf die Landpostzustellung zu warten. Es hat sie schwer getroffen. Ist von der Schule weg, als sie Mink geholt haben. Seit er gestorben ist, sagt sie kaum mehr was. Sie teilt ihre Geheimnisse nicht mit mir.«
     
    Acht Tage, seitdem sie den Brief abgeschickt hatte, zu früh für eine Antwort, das wußte sie, aber sie konnte sich des Gedankens nicht erwehren, daß er an ihrem Brief etwas Besonderes finden würde, noch während der Bogen im Umschlag steckte. Vermutlich würden ihm Hunderte von Mädchen schreiben, und es würde dauern, die ganze Post durchzugehen, selbst wenn er Hilfe hatte. Sie wußte, daß er es allein tun würde. Er war daran gewöhnt, die Dinge allein zu tun.
    Zwei Zeitungen, vielleicht auch mehr, hatten die Geschichte auf der Titelseite gebracht. Sie war auf witzige Weise geschrieben, damit er wie ein Narr wirkte. Aber sie ließ sich nicht ins Bockshorn jagen.
    »Einsames Herz« wirbt um Frau
    Der 19jährige Ray MacWay, ein Holzarbeiter bei Fredette-Bauholzbedarf in Burlington, kam in die Redaktion des Trumpet und wollte eine Heiratsanzeige aufgeben. »Ich suche eine Frau, die genauso einsam ist wie ich. Ich wurde als kleiner Junge zum Waisenkind und lebe allein in einem möblierten Zimmer. Wegen meiner Arbeitszeiten ist es für mich schwierig, Mädchen kennenzulernen. Ich nenne mich Gefangener des einsamen Herzens. Im Alter von ungefähr sechs Jahren begann ich zu arbeiten und schälte im Wald Rinde. Als ich sechzehn war, lief ich davon, war schon überall, in Maine, in Kanada, in Mexiko und Texas. Aber hier ist mein Heimatstaat. Ich bin ein guter Arbeiter. Ich spüre, daß es dort draußen eine junge Dame gibt, die genauso einsam ist wie ich, daß wir zusammen glücklich werden könnten. Ich hoffe, sie schreibt mir über den Trumpet .«
     
    Das Foto neben der Meldung zeigte einen jungen Mann mit zerzaustem Haar, der neben einem Bretterstapel stand. Im Hintergrund erstreckte sich der See. Seine Hosenknie waren löchrig. Er trug eine karierte Jacke, und Mernelle konnte die abgenutzten Armbünde erkennen. Sein Gesicht wirkte unauffällig, aber ruhig. Sogar in den dichtgedrängten Druckerschwärzepunkten des Zeitungsfotos sah er einsam aus. Sie hatte so etwas oft genug im Spiegel gesehen, um Bescheid zu wissen.
    Die Antwort kam an einem Donnerstagmorgen. Es regnete, ein steter Guß, der die Auffahrt mit Wasserrinnen durchzog. Sie ging hinunter,

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