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Postkarten

Titel: Postkarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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die Sache läuft. In meiner Wohnung sind bloß ich und mein Mann Pearl und Pearls Bruder Ruby. Die stört’s nicht mal, wenn ich’nen glatzköpfigen Schwertschlucker mit nach Haus bringe. Gehört alles zum Geschäft von einer Reporterin. Ach, worüber ich schon berichtet habe, Sie würden’s nicht glauben, Mernelle. Ich habe Ray schon erzählt, wie letztes Jahr der unglaubliche Lkw-Fahrer ohne Arme, lenkte mit den Füßen, in die Stadt kam und ich den ganzen Weg bis nach Montreal mit ihm fuhr. Zurück bin ich mit dem Zug gefahren. Es war einfach wunderbar, wie er zurechtkam, mit dem Lenken und allem. Der blieb auch bei uns. Schlief im selben Bett, in dem Sie schlafen werden. Habe eine große Geschichte für die Kolumne ›Menschliche Schicksale‹ über ihn gebracht. Sind meine Spezialität, menschliche Schicksale. Darum ist die Geschichte hier, die Geschichte über euch zwei Küken, wie für mich geschaffen. Ach ja, ich habe schon alles erlebt. Das hier ist gar nichts. In meinem eigenen Leben und auch sonst. Ich stolpere einfach über solche Geschichten. Ich bin im Staat New York geboren, kam aber im Alter von drei Jahren mit meinen Eltern über den See hierher. Bin in Rouses Point aufgewachsen. Mein Vater trank stark. Wissen Sie, als er starb, ließ meine Mutter drüben in Barre einen Grabstein in Form einer Whiskeyflasche für ihn machen. Zwei Meter hoch. Vor ein paar Jahren bin ich wieder hin, um ihn ein paar Leuten zu zeigen, aber jemand hatte ihn gestohlen. Also habe ich eine große Geschichte drüber geschrieben, ›Der gestohlene Grabstein‹, und die Zeitung bekam einen Tip, daß ein gewisser Herr in Amherst, Massachusetts, ein Hochschulprofessor, ihn als Couchtisch benutzen würde. Die Polizei holte ihn zurück. Die Polizei in Massachusetts. Natürlich mußten wir mit einem Pritschenwagen runterfahren und ihn abholen. Mein Mann hatte für den Hochschulprofessor ein paar ausgewählte Worte übrig. Die wiederhole ich lieber nicht. Mit Pearl ist nicht gut Schlitten fahren. Was mich überraschte, war, daß das Ding ein paar Jahre lang verschwunden war, ohne daß meine Mutter es überhaupt merkte. Und wie hat er ihn weggeschafft? Damit wollte er nicht rausrücken, sagte aber, nicht mit einem Lkw. Ich habe eine Geschichte über ein Fledermausschießen geschrieben. Wissen Sie, was das ist? Na ja, Sie lesen den Trumpet wohl nicht, es war nämlich eine der erfolgreichsten Geschichten, die sie je brachten. Ich weiß nicht, wie viele Leserbriefe sie deswegen gekriegt haben. Es ging um diesen Jagd- und Angelverein, der am Wochenende ein Tontaubenschießen veranstalten wollte, aber keine Tontauben auftreiben konnte, hier gab’s einfach keine Tontauben. Einer von ihnen hat Fledermäuse auf dem Dachboden, sehen Sie, und er geht rauf und schnappt sie sich tagsüber, wenn sie schlafen, steckt sie in eine Schachtel, bohrt Löcher rein, damit sie Luft kriegen, und bringt sie dann mit in den Verein. Sie ließen die Fledermäuse frei und schossen auf sie, weil sie keine Tontauben kriegen konnten. Als ein Mann verletzt wurde, hörten sie auf. Die Fledermäuse flogen niedrig. Wißt ihr, Mr. File, Fred File, das ist der Herausgeber von Trumpet , war der Meinung, daß ihr Küken nach dem Kino vielleicht tanzen gehen wollt - Abendessen bei Bove, italienisch, soviel ihr essen könnt, die Lasagne ist hervorragend, dann Kino, ich weiß nicht mehr, was läuft, ach nein, jetzt weiß ich’s wieder, es läuft I can get it for you wholesale mit Irene Dunne oder so. Eine Komödie, soll lustig sein. Aber mit Tanzen ist heute abend nichts, darum müßt ihr vielleicht einfach spazierengehen. Bummeln. Das Wichtigste ist, daß ihr euch kennenlernt. Auf dem Weg hierher habe ich zu Ray gesagt, daß das Wichtigste auf der Welt ist, einen anderen Menschen kennenzulernen, und wahrscheinlich auch das Schwerste. Eine der besten Geschichten, die ich je gemacht habe, war dieser Kerl, der sich in eine Freundin seiner Mutter verliebte, sie war, ich weiß nicht, vielleicht fünfundzwanzig Jahre älter als er, hatte weiße Haare und so, aber er war verrückt nach ihr. Natürlich wußte er nicht mehr über sie als das, was er sah, wenn sie seine Mutter besuchen kam. Sie war immer sehr freundlich, und das hat ihm, vermute ich, gefallen. Seine Mutter trank, glaube ich, und war nicht allzu nett zu ihm. Also, eines Tages kommt diese Freundin seiner Mutter rein, und er geht vor ihr auf die Knie und sagt: ›Ich liebe dich‹, und sie denkt, der hat sie nicht

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