Poul Anderson
kaum vor der Abenddämmerung erreichen, aber das paßte mir ausgezeichnet in den Plan. Es war aussichtslos, Minneapolis über die Autobahn erreichen zu wollen. Der Treibstoffmangel, die Möglichkeit einer Panne und die Besatzungspolizei hinter uns wie eine Meute Bluthunde – unmöglich! Wir mußten eine andere Route wählen.
Ich hielt nach einiger Zeit an und holte die anderen vor ins Führerhaus. Regelin trug einen Hut und eins von meinen Oberhemden. Für einen flüchtigen Beobachter mochte er wie ein Mensch aussehen, und Alice lag auf dem Schoß ihrer Mutter, die zwischen uns beiden saß. Wir konnten als gewöhnliche Farmerfamilie gelten – so hoffte ich.
»Wo fahren wir hin, Mammi?« fragte das Mädchen. Ein Windstoß fuhr durch die Kabine und spielte in ihrem blonden seidigen Haar, und ihre großen Augen blickten auf eine Welt, die für sie ein einziges Märchen war.
»Wir machen eine lange Reise, Liebling«, sagte Kit sanft.
»Kann ich Hoppy herbeirufen?«
»Natürlich«, sagte Kit. »Wir fahren doch nicht ohne Hoppy.«
Regelin lächelte. »Wer ist Hoppy?« fragte er. »Deine Puppe?«
»O nein«, sagte Alice. »Hoppy ist ein Ungeheuer. Er hat Flügel und kommt jeden Morgen an mein Bett und unterhält sich mit mir. Ich ruf ihn immer, wenn ich allein bin. Kennst du auch irgendwelche Monster, Marsmann?«
»Ein paar«, sagte Regelin ernst.
Kit schüttelte ihren Kopf. »Es ist wie ein Alptraum«, murmelte sie. »Alles geht so langsam, und wir wissen, daß sie uns verfolgen. Und immer mehr kommen wir der Höhle des Löwen näher.«
»Vielleicht könnten wir Kit und das Kind bei irgend jemandem zurücklassen«, sagte Regelin.
»Das ginge schief«, sagte ich bitter. »Wem könnten wir trauen? Wenn jemand sie wirklich aufnehmen würde, so kriegt er es vielleicht hinterher mit der Angst zu tun und verrät sie wegen der Belohnung, oder bloß nur, um die eigene Haut zu retten. Und durch den Zusammenbruch der Nachrichtenverbindungen und der allgemeinen Reisetätigkeit nimmt jeder naturgemäß größeren Anteil an dem, was sein Nachbar macht. Fremde, die sich plötzlich in der Nachbarschaft niederlassen, würden sofort auffallen.«
Der Automechaniker hatte mir mit betonter Beiläufigkeit von dem Steckbrief erzählt. Er war auch schon mehrere Male im Rundfunk verlesen worden. Wir drei wurden tot oder lebendig gesucht, und zwar wegen Mordes, Aufruhrs und Verschwörung. Wir wurden als geisteskrank hingestellt, mit systematischen Wahnvorstellungen behaftet, denen niemand Glauben schenken sollte. Die ausgesetzte Belohnung war beträchtlich, hundert Millionen UN-Dollar, die man auch in marsischer harter Währung erhielt, wenn man es wünschte. Handzettel und Plakatanschläge mit Personenbeschreibung würden bald überall verteilt werden.
Kit pfiff, als sie das hörte. »Sie suchen uns wirklich krampfhaft!« Und mit einem verlorenen schwachen Lächeln: »Das hätte ich nie gedacht, daß ich jemandem so viel wert bin.«
»Doch, mir, Kit.« Ich faßte nach ihrer Hand und drückte sie. Sie blickte mich seltsam an.
Regelins Gesicht war gespannt. »Wenn meine Familie davon hört ...« Er schüttelte den Kopf und versuchte die Gedanken zu verscheuchen.
Mittag war schon lange vorüber, als wir die Sirene hörten. Wir waren gerade durch ein Dorf gefahren, und ich sah den verfolgenden Wagen zwischen den letzten Häusern hervorschießen. Mein Herz tat einen Sprung und fing dann hämmernd an zu klopfen. »Runter!« brüllte ich. »Versteckt euch!«
Kit lag schon mit Alice auf dem Boden. Regelin ließ sich über die beiden fallen. Ich zog eine Decke darüber und legte meine Pistole neben mich. Die Sirene heulte, und der blaue stromlinienförmige Wagen setzte sich vor meinen Kühler und drängte mich von der Straße ab.
Ich hielt an und wandte mein Gesicht dem Mann zu, der aus dem anderen Wagen kletterte. Ein zweiter Beamter blieb drin sitzen; er hielt eine Maschinenpistole in den Händen. Straßenpolizei – jung, beide unverkennbar brave Burschen, deren Heimat zwischen den grünen Hügeln der Erde lag, keine Marsier. Meine Stimme klang verzerrt in meinen Ohren:
»Was ist los, Leutnant? Hab ich was falsch gemacht?«
»Wir überprüfen alle Fahrzeuge. Befehl.« Er lehnte sich zum Fenster herein und drückte den Revolver an meine Schläfe. »Legen Sie beide Hände aufs Steuer, Mister.«
»Schauen Sie ...«
Das tat er auch, und sein Gesicht wurde starr. »Steigen Sie aus«, sagte er. »Und hoch mit den Händen.«
»Ich
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