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Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)

Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)

Titel: Power Down - Zielscheibe USA (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Coes
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untrennbar mit dem Augenblick verband, in dem die Jagd begann. Die Phase, in der er mit jeder Faser seines Daseins an die Mission glaubte. Ein Gefühl, das Dewey, wie er nun merkte, fast schon vergessen hatte.
    Er trat vom Spiegel zurück und ging ans Fenster, blickte hinab auf den dichten Verkehr vor dem Parque Central. Er schloss die Augen und wartete, bis das Gefühl verflog. So sehr er sich danach sehnte, in die Vereinigten Staaten zurückzukehren, konnte er doch die Begleitumstände seines Abschieds nicht ignorieren. Sie hatten ihn eines Verbrechens bezichtigt, das er nicht begangen hatte, und am Ende hatte er ganz allein dagestanden. Zuerst verlor er seine Familie, dann seinen Ruf und schließlich seine Berufung, alles. Ja, er wollte dazu beitragen, die Terroristen zu finden – seinen Männern zuliebe, die an Bord der Bohrinsel ihr Leben gelassen hatten, und für sich selbst. Doch er kämpfte gegen dieses Gefühl an, stieß es weg und blieb hart.
    »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß«, sagte Dewey. »Ich bin raus.«
    »Raus?«, fragte Jessica. »Fertig? Einfach so? Wir brauchen Sie. Ist es Ihnen egal, dass Tausende von Menschen tot sind, dass Terroristen Ihr Heimatland angreifen?«
    »Natürlich ist mir das nicht egal. Aber es ist nicht mein Krieg. Nicht mehr.«
    Dewey blickte auf sein Messer und die Pistole, die beide auf dem Bett lagen. Er lauschte auf das Schweigen aus dem Telefonhörer.
    »Viel Glück«, sagte Jessica mit einer Spur Verbitterung in der Stimme. »Sollten Sie es sich anders überlegen, rufen Sie bitte an!«
    Dewey legte auf und ließ sich auf die Matratze fallen.
    Doch mit einem Mal schien sich das Bedürfnis nach Schlaf in Luft aufgelöst zu haben. Mehr noch, plötzlich konnte er sich nicht vorstellen, auch nur eine Sekunde länger in diesem Zimmer zu bleiben. Ein heftiges Schuldgefühl, fast schon Scham, überkam ihn. Sein Land hatte ihn um Hilfe gebeten und er verweigerte sie. Er bemühte sich, den Gedanken zu verdrängen. Besser, er ging noch ein bisschen spazieren. Morgen konnte er immer noch irgendwo anders hinfliegen. Noch einmal verschwinden und untertauchen. Damit kannte er sich schließlich aus. Er schuldete niemandem etwas. Seine Entscheidung stand fest: Morgen setzte er seine Flucht fort.
    Dewey stopfte die Pistole in den Hosenbund, das Messer in die Knöchelscheide und verließ das Zimmer. Durch den Haupteingang verließ er das Parque Central und streifte in der nächsten Stunde durch die Straßen von Havanna. Es überraschte ihn, wie freundlich und fröhlich die Menschen wirkten. Sie grüßten ihn, wenn er an ihnen vorbeiging. Die Sonne brannte herab, sie fühlte sich gut an auf den Schultern und seinem Gesicht. An einer farmacia machte er Halt und kaufte neues Verbandszeug und ein Fläschchen mit Antibiotika.
    Dewey lief zurück zum Hotel. Am Zeitungskiosk in der Lobby erstand er eine Ausgabe der International Herald Tribune. Er bezahlte, durchquerte die Lobby und setzte sich ins Hotelrestaurant, um eine Tasse Kaffee zu trinken.
    »Was wünschen Sie, Señor?«, fragte die Bedienung. Sie war jung und hübsch, hatte lange schwarze Haare.
    »Einen Espresso«, sagte er.
    Er lehnte sich zurück und las die Zeitung. Schon bald schweiften seine Gedanken ab und die Worte verschwammen vor seinen Augen. Noch einmal spielte er die Ereignisse in Cali und auf Capitana durch. Er fühlte sich verwirrt, besorgt, so sehr, dass es in seiner Magengrube zu kribbeln anfing. Als die Rechnung kam, griff er in seine Jacke. In der Tasche ertastete er seinen Pass und das kleine Bündel Banknoten, das er vor der Zollbeamtin in Cali zurückgehalten hatte. Außerdem das Foto von Holly und Robbie. Er zog es heraus. Ob sein Sohn heute stolz auf ihn wäre? Er ertrug die Antwort nicht, die sich aufdrängte.
    Noch einmal ging er spazieren. In der Nähe der Piers im Süden der Stadt blieb er stehen, um Zigaretten zu kaufen. Er zog eine aus der Schachtel und zündete sie an. Sie schmeckte. Schon seit Tagen hatte er nicht mehr geraucht.
    Jessicas Worte nagten an ihm. »Wir brauchen Sie.« Wieder fühlte er sich schuldig. Ein bitteres Gefühl. Er versuchte, es aus seinen Gedanken zu verdrängen. Er brauchte einen Drink, rauchte die Zigarette zu Ende und schnippte die Kippe am Ende einer alten, hölzernen Mole ins Meer.
    »Das ist nicht dein Krieg«, wiederholte er laut, als sich die Dunkelheit über den westlichen Horizont senkte. »Lass das alles hinter dir.«

35
    INTERNATIONALE KKB-ZENTRALE
    Ted Marks

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