Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
hingeschickt haben, um Dewey Andreas auszuschleusen, wurden ermordet. Am helllichten Tag auf offener Straße getötet.«
»Was? Von wem?«, fragte Jessica.
»Das wissen wir nicht. Wir hatten niemanden sonst vor Ort, und die Polizei von Cali weiß, offen gesagt, überhaupt nichts.«
»Hat jemand mit Andreas gesprochen?«, wollte Buck wissen.
Alle schüttelten den Kopf, Jessica eingeschlossen.
Chiles schaute Jessica an und wandte sich, ohne etwas zu sagen, wieder den anderen zu.
»Na gut«, meinte Buck. »Haben wir seine Handynummer?«
»Nein«, erwiderte Jessica. »Als er vorhin anrief, lief das über die Telefonzentrale von Anson.«
»Wissen wir überhaupt, ob er noch lebt?«, hakte Ennis nach.
Epstein zuckte die Achseln.
»Könnte Andreas unsere Männer für jemand anders gehalten haben?«, fragte Buck.
»Mit ›für jemand anders halten‹ meinen Sie wohl, ob er amerikanische Soldaten getötet hat?«, sagte Jessica mit scharfem Unterton. »Er war früher selbst ein Delta. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er einen derartigen Fehler begeht. Sie vielleicht?«
»Alles, was wir wissen, ist, dass zwei Deltas hingeschickt wurden, um ihn auszuschleusen, und jetzt sind die beiden tot«, erwiderte Buck.
»Das ist nicht alles, was wir wissen«, meinte Epstein. »Augenzeugen zufolge gab es ein Feuergefecht. Abgesehen von unseren Deltas ist ein weiterer bewaffneter Mann tot. Und er scheint keineswegs arabischer Abstammung zu sein. Er sieht aus wie ein Latino. Die Polizei in Cali tut zwar ihr Bestes, aber vor Ort habe ich keine verfügbaren Kräfte.«
»Ich werde so bald wie möglich ein Team runterschicken«, versicherte Buck. »Aber es scheint mir ziemlich offensichtlich, dass sie ihm gefolgt sind. Er ist vor über zehn Jahren aus dem aktiven Dienst ausgeschieden. Hinzu kommt die Tatsache, dass er verwundet, müde und völlig durch den Wind ist. Er hat einen Fehler gemacht, und die haben ihn aufgespürt.«
»Ja, das denke ich auch«, log Jessica. Sie blickte Chiles an, bemüht, völlig unbefangen zu wirken. »Ich muss zusehen, dass ich nach Long Beach komme.«
Jessica schloss ihre Bürotür hinter sich und setzte sich auf die Ledercouch neben dem Fenster. Für ein paar Sekunden schloss sie die Augen und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Als sie die Lider wieder aufschlug, fiel ihr Blick durch das Fenster auf die Pennsylvania Avenue. Es war Sonntagmorgen und die Straße so gut wie verlassen. Vor dem FBI-Gebäude patrouillierte ein Dutzend bewaffneter Soldaten. Alarmstufe Rot. Wahrscheinlich bekamen die Bürger bereits die Auswirkungen der verstärkten Sicherheitsmaßnahmen zu spüren. Nicht nur an Bundes- und Staatsgebäuden, Bahnhöfen und Häfen. Die großen Airports erinnerten bereits an Militärlager, und die Durchsuchungsrate bei den Passagieren dürfte sprunghaft angestiegen sein. In den nächsten Tagen gab es keine Stichproben mehr, sondern jeder einzelne Passagier wurde gefilzt. Eincheckpflicht für Handgepäck. Das Zeitalter des Profiling gehörte der Vergangenheit an, nun nahmen sie alle Bürger unter die Lupe. Anders ging es nicht.
Jessica, deren Job darin bestand, dem Terrorismus an Amerikas Küsten Einhalt zu gebieten, versuchte, sich das Gesicht der Person vorzustellen, die hinter allem steckte. War es ein Araber? Lauerte er in irgendeiner Höhle im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan? In einer nach Schweiß stinkenden, überfüllten Mietwohnung in Karachi oder Islamabad? Oder vielleicht in Paris oder München? Sie suchten nicht nach der Nadel im Heuhaufen, sondern nach einem Sandkorn an einem kilometerlangen Strand. Wenn sie zumindest wüsste, an welchem Strand ...
Es gab jemanden, der wahrscheinlich die Antwort auf diese Frage kannte, auch wenn es ihm selber womöglich gar nicht bewusst war. Unglücklicherweise rannte er in diesem Augenblick in Südamerika um sein Leben oder lebte schon gar nicht mehr.
Sie ging an ihren Schreibtisch, nahm den Hörer des Telefons ab und wählte.
»Ja«, meldete sich Savoy.
»Ich binʼs, Jessica. Hat Dewey Sie noch einmal kontaktiert?«
»Nein«, antwortete Savoy. »Wie lief die Interagency-Sitzung? Hat das Verteidigungsministerium es offiziell gemacht?«
»Ja. Danke für Ihren Anruf von vorhin, Sie hatten recht. Geben Sie mir Bescheid, wenn Dewey sich meldet.«
»Auf jeden Fall!«
»Wo sind Sie?«
»Wir sind gerade gelandet. Ted muss ein Fernsehinterview geben.«
An diesem Abend brachte 60 Minutes eine zweistündige Sondersendung
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