Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
anderen Schirm. Eine Live-Aufnahme von der Labradorsee. Die Stelle, an der sich einst die Savage-Island-Anlage von KKB befunden hatte. Nun gab es dort nur noch das dunkelblaue Meer, umrahmt von einer schneebedeckten Küstenlinie. Nirgendwo ein Anzeichen von menschlichem Leben.
»Nein, ich brauche Ihre Hilfe bei einer sehr ernsten Angelegenheit«, sagte Essinger. »Wir werden die Scheißkerle aufspüren, die das angerichtet haben.«
Schweigen senkte sich über den Raum.
»Wahrscheinlich werden Sie sich jetzt fragen, wie zum Teufel ausgerechnet wir, ein Haufen überbezahlter, hochgebildeter – manch einer würde sagen: brillanter – Fachidioten mit eher kleinem Bizeps und wenig bis gar keiner Ahnung von Waffen, Selbstverteidigung oder sonstigen Schwarzen Künsten – nun, wie ausgerechnet wir die harten Jungs aufspüren sollen, die dafür verantwortlich sind.«
»Ich habe eine Luftpistole«, meinte einer der Trader.
»Nehmen wir einmal an, dass derjenige, der dahintersteckt, damit auch Geld verdienen wollte. Wenn Sie gewusst hätten, dass diese beiden Ereignisse eintreten würden, was hätten Sie getan? Nun, die Antwort darauf fällt nicht schwer.«
»Kurswetten abschließen. Optionsscheine kaufen.«
»Korrekt«, sagte Essinger. »Und wenn ich Optionsscheine kaufe, was muss ich dann tun?«
»Na ja, natürlich den Auftrag erteilen, den Handel abschließen, das Geld überweisen, fertig!«
»Und über wen wickle ich die Transaktion ab? Das heißt, sofern ich ein wirklich schlauer Drecksack bin, so wie die Leute hinter diesen Anschlägen?« Essinger deutete auf das Capitana-Video. »Wo schließe ich meine Geschäfte ab?«
»Nicht bei meinem üblichen Makler. Richtig, Boss?«, fragte Santangelo.
»Bei einem anderen, kleineren Broker-Dealer. Im Ausland?«, meinte ein anderer.
Essinger schwieg einen Moment. Dann schüttelte er den Kopf.
»Ich erschaffe meinen eigenen Makler«, mutmaßte ein weiterer Trader.
Essinger grinste. »Falsch! Jeder von ihnen. Es gibt keinen anderen Zugang zum Parkett. Ich muss meinen Deal über einen der vier apokalyptischen Reiter abwickeln. Morgan, Goldman, JPMorgan oder Credit Suisse. Unter dem Strich läuft es darauf hinaus. Diese Terrorgruppe verlässt sich auf die Tatsache, dass in dieser Zeitspanne beziehungsweise darum herum buchstäblich Millionen von Transaktionen stattfinden, selbst in einem so segmentierten Komplex wie der Energieindustrie. Darauf bauen sie. Außerdem verlassen sie sich auf die Verschwiegenheit der Makler und Händler. Vertraulichkeit, solche Sachen. Aber womit haben sie nicht gerechnet?«
Essinger ließ seinen Blick durch den Saal schweifen.
»Mit der US-Börsenaufsicht, richtig?«, fragte Santangelo. »Die rechnen nicht damit, dass wir der Börsenaufsicht einen Hinweis geben.«
»Sie drehen sich im Kreis, Tino«, erwiderte Essinger. »Schon wieder falsch. Gott, sogar mein Hund ist schlauer als ihr. Sobald wir uns an die Börsenaufsicht wenden, können wir uns von den Daten verabschieden. Die blockieren alles, schließen es weg, und dann hört und sieht man erst mal sechs Monate lang nichts mehr davon, während ein paar Bürokraten an der Sache herummurksen. Bis die dahinter kommen, wer es gewesen ist, sind die Terroristen längst über alle Berge und, wichtiger noch, Gott allein weiß, welchen Schaden sie unserem Land noch zufügen.« Essinger hielt kurz inne. »Nein, womit diese Kerle nicht rechnen, ist die Tatsache, dass KKB seinen gesamten Einfluss aufbieten wird, um sie unter Druck zu setzen. Außerdem rechnen sie nicht mit Igor!«
Igor war der IT-Spezialist des Ressorts. Er besaß drei Doktortitel, einen von der Carnegie Mellon University und zwei vom MIT, allesamt in Mathematik beziehungsweise verwandten Disziplinen aus dem Computerbereich. Igor war 29.
»Okay«, sagte Essinger. »Ich möchte, dass Sie Folgendes tun: Hängen Sie sich ans Telefon, und zwar sofort. Rufen Sie in jedem Haus den Chef der Investment-Abteilung an: bei Morgan Stanley, Goldman, JPMorgan, Credit Suisse. Versuchen Sie, die Kerle zu Hause zu erreichen, in den Hamptons, in Gstaad, Aspen, ganz egal, wo zum Teufel die sich gerade aufhalten. Wenn es sein muss, dringen Sie bis zum Vorstandsbüro vor. Mit Grüßen von mir und Ted Marks! Kapiert? Fragen Sie erst höflich nach, dann drohen Sie. Drohen Sie damit, dass wir keine Geschäfte mehr mit ihnen machen – und das werden wir durchziehen. Ich will über alle mit der Energiebranche in Verbindung stehenden
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