Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
um und musterten den kräftigen Amerikaner. Er war größer als die meisten Kubaner. Ein paar Leute grüßten ihn oder nickten ihm im Vorbeigehen zu. Die meisten starrten ihn einfach nur an, einen Zwei-Meter- Americano, der zwischen ihnen umherschlenderte.
Er ging in das Viertel am Ende der Paradiso, das Julio. Der schnelle, satte Sound karibischer Musik und das laute Dröhnen der Trommeln, unterlegt mit einem rasanten Beat, erfüllten die Luft. Junge Frauen standen in Gruppen auf den Bürgersteigen zusammen, hübsche Kubanerinnen, die darauf warteten, in einen der Nachtclubs eingelassen zu werden, die sich am Ende der schmalen Gasse drängten. Alle rauchten.
Er ging zum Eingang des nächstgelegenen Clubs – einem Laden, der Sansibar hieß. Im Inneren herrschte extremes Gedränge und die Musik wurde lauter, als Dewey eintrat. Er ging an die Bar und bestellte einen Whiskey.
Er blieb am Tresen stehen, drehte sich um und ließ seinen Blick über die Menge schweifen. So langsam, wie er konnte, nippte er an seinem Drink, aber es fiel schwer, ihn nicht gleich hinunterzustürzen. Er bestellte noch einen Whiskey, zahlte und redete kurz mit einer jungen Kubanerin, einer hübschen, dunkelhäutigen Frau mit langem schwarzem Haar, die ihn aus großen braunen Augen warm anblickte. Sie nannte ihm ihren Namen: Sanibel. Er unterhielt sich noch ein paar Minuten mit ihr. Anschließend drehte er eine Runde um die Tanzfläche, leerte sein Glas und ging.
Er suchte noch drei weitere Clubs auf. In jedem trank er einen Whiskey. Im dritten Nachtclub begann er allmählich, die Wirkung des Alkohols zu spüren. Es war schon nach Mitternacht. Da ihm nichts Besseres einfiel, kehrte er ins Sansibar zurück, um nach der jungen Frau, Sanibel, Ausschau zu halten. Er orderte ein Bier am Tresen.
Sanibel kehrte von der Tanzfläche zurück. Sie wirkte verschwitzt und sogar noch begehrenswerter, als er sie in Erinnerung hatte. Ihre weiße kurzärmlige Bluse bedeckte kaum den Busen. Erst jetzt fiel ihm die enorme Größe ihrer Brüste auf. Sie trat ans andere Ende der Bar und blieb stehen. Mittlerweile befand sie sich in Begleitung eines jungen, zottelig wirkenden Typen mit Bart. Sie sah zu Dewey hinüber und lächelte. Er winkte dem Barkeeper und bat ihn, ihr ein Glas Champagner zu bringen.
Sie wechselte ein paar Worte mit ihrem Tanzpartner und ließ ihn stehen, um auf Dewey zuzugehen.
»Vielen Dank«, sagte sie auf Englisch, während sie mit ihm anstieß.
»Keine Ursache.«
»Wie heißt du noch mal?«, fragte sie. »Tut mir leid.«
»Dewey.«
»Hallo, Dewey«, sagte sie und streckte ihm die Hand hin. »Bist du Journalist?«
»Nein.«
»Militär?«
»Nein. Nur Tourist. Und du?«
»Lehrerin. Ich wohne hier in Havanna. Ich unterrichte Mathe.«
»Möchtest du tanzen?«
»Klar.«
Sie stellten die Gläser auf dem Tresen ab und gingen auf die Tanzfläche, blieben dort mehrere Lieder lang. Sanibel lag das Tanzen im Blut, im Takt der Musik bewegte sie sich lächelnd um ihn herum, rieb sich an seinem Körper. Der Alkohol hatte ihn enthemmt, er überließ sich seinem Rausch und versuchte, mit ihr mitzuhalten. Irgendwann nahm sie beim Tanzen seine Hand, für mehrere Songs hielten sie Händchen und schmiegten sich auf einmal enger aneinander. Er beugte sich vor und küsste sie. Sie schmeckte angenehm, ihre Lippen fühlten sich weich an. Er wollte sie ins Parque Central mitnehmen. Ja, wenn sie ihn ließ, würde er das tun. Vielleicht noch ein Tanz, noch ein Drink und dann ab auf seine Suite. Er mochte sie.
Über ihre Schulter, durch 15 Meter schummriges Licht und Hunderte von Menschen getrennt, sah Dewey den Mann, der gekommen war, um ihn zu töten.
Ein dunkelhäutiger Araber. Er starrte Dewey von der gegenüberliegenden Seite des Raums an. Der Mann hielt kein Glas in der Hand. Er trug ein graues T-Shirt, das einen muskulösen Oberkörper erkennen ließ. Der Blick wirkte düster und ernst. Er folgte jeder seiner Bewegungen.
Dewey tanzte mit Sanibel weiter. Er hielt sich dicht bei ihr, behielt den Fremden jedoch unauffällig im Auge. Der Kerl durfte nicht merken, dass er Bescheid wusste. Er hielt nach weiteren Killern Ausschau, entdeckte jedoch keine. Sanibel rückte noch näher an ihn heran, schlang die Arme um ihn. Erst lagen ihre Hände auf seinem Rücken, schließlich rutschten sie tiefer, während sie ihn küsste. Diesmal drang ihre Zunge in seinen Mund ein. Sie schmeckte gut, nach Champagner. Er erwiderte ihren Kuss. Der Kerl ließ ihn von
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