Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
und Wacholder und Staub roch? Oder war das alles bloß ein Traum?
Mohammed und Calla betrachteten ihn als Geschenk Gottes. Wer hätte schon erahnen können, dass Calla sich als unfruchtbar erwies. All die Liebe, die sie in ihrem Herzen trug, die Liebe, die sie eigentlich immer ihren eigenen Kindern schenken wollte, schenkte sie nun ihm. Mohammed war beeindruckt von dem Jungen. Was Alexander auch anfasste, stets tat er sich hervor. Wie sein leiblicher Vater zeichnete sich auch Alex durch eine besondere Sprachbegabung aus. Mit 16 hatte er den Fachbereich Sprachen der Privatschule, auf die er ging, der Episcopal Academy, ausgeschöpft und sprach fließend Französisch, Spanisch und Italienisch.
In der elften Klasse, seinem Junior Year, erreichte er beim SAT-Test für die Hochschulzulassung den Höchstwert. 1600 Punkte. Es lag auf der Hand, dass Alexander sich das College, auf das er gehen wollte, aussuchen konnte. Im Episcopal-Lacrosse-Team spielte Alexander im Mittelfeld, in der zwölften Klasse wählten sie ihn zum Mannschaftskapitän. Er liebte Lacrosse über alles und wurde zum Saisonabschluss als Sportler des Jahres gekürt. Als Alex sich fürs College bewarb, beschränkte er sich auf Schulen, deren Lacrosse-Programm einen guten Ruf genoss – Princeton, die University of Virginia, Yale und Harvard. Er erhielt von allen einen positiven Bescheid und entschied sich für Princeton.
Während der ganzen Zeit züchtete Mohammed langsam, geduldig, methodisch, wie ein Krebsgeschwür, die Bestie in ihm.
Es begann ziemlich harmlos im Keller seines Hauses in einem kleinen, selbst gebauten Boxring. Im Alter von neun Jahren nahm er Alex nach dem Abendessen mit nach unten und betrieb ein bisschen Sparring mit ihm. Sie lachten und trainierten. Mit zehn war Alex schon genauso groß wie Mohammed und das Sparring wurde ernster. Eines Abends verpasste Alex Mohammed eine blutige Nase. Am Abend darauf revanchierte Mohammed sich und sah zu, wie Alex die Beherrschung verlor. Er bekam einen Wutausbruch und ging wie ein Berserker auf Mohammed los. Mohammed ging auf, dass er sich diese Wut zunutze machen musste.
Er durfte Calla nicht sagen, worum es hier ging, auch wenn er sich ihr noch so gerne anvertraut hätte. Sie redeten kaum miteinander. Morgens um fünf ging Mohammed aus dem Haus, um sein Büro an der George Washington University aufzusuchen, und kehrte in der Regel erst nach dem Abendessen zurück. Wenn er nach Hause kam, sah er sie ausdruckslos an und ging direkt in den Keller, um zu lesen oder am Computer zu arbeiten. Sobald Alex von der Schule kam, leistete er Mohammed Gesellschaft.
Calla hegte den Verdacht, dass Mohammed ein Verhältnis hatte. Doch es handelte sich nicht um eine Frau, die ihn zunehmend von seiner Ehe entfremdete. In Wirklichkeit war er ein anderer geworden. Der Hass, der ihn ursprünglich in die Vereinigten Staaten getrieben hatte, bildete jetzt das stählerne Gerüst von Aswans Plan.
Und in diesen finsteren Plan zog er Alexander mit hinein, langsam, vorsichtig, mit Bedacht, schließlich mit Haut und Haar.
Genau wie in Beirut rief Mohammed eine kleine Gruppe gleichgesinnter Dschihadisten ins Leben. Insgesamt waren sie zu dritt. Dahim, ein Akademiker, hatte eine Assistenzprofessur an der American University. Der andere, Karim, arbeitete als Souschef im Restaurant des Four Seasons. Mohammed wollte nicht das Risiko eingehen, Kontakte zu Leuten aus Nahost zu knüpfen, die in einer der Washingtoner Botschaften beschäftigt waren. Er wusste, dass sie unter besonderer Beobachtung standen. Sowohl Dahim als auch Karim kannte Aswan gut.
Als Alex an seinem 13. Geburtstag im Keller das Geschenk auspackte, das Mohammed ihm gegeben hatte, redete er mit ihm zum ersten Mal über das, was getan werden musste.
»Bist du alt genug, um ein Mann zu sein?«
»Ich bin 13, Dad. Ich bin kräftiger als du.«
»Ich spreche nicht von deinem Körperbau. Bist du bereit, über schwierige Dinge zu reden?«
Alex schwieg. Schließlich nickte er. Darauf begann Mohammed, ihm vom Dschihad zu erzählen.
Sein Geburtstagsgeschenk bestand aus zwei kleinen Büchlein. Untergrundliteratur. Ein Gedichtband von D.W. Myatt mit dem Titel Ein erlesenes Schweigen, das andere eine Dystopie Myatts über eine Zukunft, in der Amerika die Weltherrschaft erlangt hat und ein junger muslimischer Held namens Basal-el die Zivilisation retten muss.
Alexander empfand es als merkwürdigen Tag. Er mochte diese Geschenke nicht. Zum ersten Mal in seinem Leben
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