Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
Wolf!«
»Nun?«, fragte sein Vater lachend und schaute Nebuchar an. »Hast du nichts dazu zu sagen?«
»Ich gratuliere dir, Drache.« Er spie die Worte förmlich aus.
Alex lächelte und ging zum Ende des Felsblocks. Dort kniete er sich hin, fegte die Erde vom Loch und holte seine Kleidung heraus.
Sein Vater kicherte vor sich hin – und hörte den ganzen Tag lang nicht mehr damit auf. »Das war toll«, lobte er. Nachdem Alex sich angezogen hatte, reichte er ihm einen Teller mit Reishühnchen. »Wie bist du auf die Idee gekommen?«
Durch die braune Schmutzschicht hindurch, die ihm im Gesicht haftete, starrte Alex ihn aus kalten Augen an. Dann starrte er seinen Bruder an. »Wenn man sich vor einem Wolf verstecken und überleben will, muss man es so tun, dass einen jeder sehen kann.«
»So, dass einen jeder sehen kann«, wiederholte sein Vater an jenem Abend, nachdem er seine Gebete gesprochen hatte. »So, dass es jeder sehen kann.«
Der Ratschlag eines Fünfjährigen.
Innerhalb eines einzigen Moments verschmolz Aswans bislang ungerichteter Hass zu einem rigorosen Plan.
Als die drei Männer an jenem Abend eintrafen, so wie sie es seit zwei Jahren an jedem Sonntagabend taten, schilderte Aswan ihnen seine Vision, die als Blaupause für den bevorstehenden Terror dienen sollte.
»Ich hatte eine Vision, meine Brüder«, sprach er sie an, nachdem der Tee eingeschenkt war. »Ich weiß jetzt, wie wir unserem Feind den Dolch ins Herz stoßen können.«
Die Gruppe aus insgesamt vier Männern hatte sich als Gebetskreis an der Universität Beirut zusammengefunden. Aswan, der als Direktor dem Institut für Europäische Sprachen vorstand, war als Letzter zu ihnen gestoßen. Er hielt nichts davon, mit seiner Religion hausieren zu gehen. Nach seiner Ansicht handelte es sich um eine Privatangelegenheit, die nur die eigene Familie etwas anging.
Nach dem Tod seiner Frau Rhianne hatte sich Aswan allerdings verändert. Und zwar in so vielfacher Hinsicht, dass er es selbst nicht ganz begriff. Sein Temperament, das zuvor wie ein Feuer in ihm geschwelt hatte, wurde ruhiger. Er stellte fest, dass die Liebe zu seinen Kindern, seine Geduld und die Freude, die er aus dem Umstand zog, mit ihnen Zeit zu verbringen, anwuchsen. Außerdem begann er, häufiger zu beten. Manchmal stundenlang am Stück. Dabei schien er seiner wahren Bestimmung näherzukommen.
Aber auch, wenn sich sein Temperament mäßigte und die Liebe zu seiner Familie stärker wurde, ging doch etwas anderes mit ihm vor, das diese Entwicklung in gewissem Sinne wieder aufhob. Aswan begann die Leute zu hassen, die er für den Tod seiner Frau verantwortlich machte. Und sein Hass vermischte sich mit seinen Gebeten.
Bei der Beerdigung seiner Frau lud ihn ein Kollege aus der Universität, ein Mann namens Mohammed, dazu ein, sich ihrer kleinen Gebetsgruppe anzuschließen. Anfangs widmeten sie ihre Zeit allein der Ausübung ihrer Religion, doch das änderte sich schon bald. Sie begannen, Tee zu trinken und sich zu unterhalten, dann erst beteten sie, bis die Gebete schließlich ganz aufhörten und nur noch geredet wurde.
Aber was sie redeten – oh, diese Gespräche. Sie alle hatten den Eindruck, dass die Diskussionen beinahe ebenso wichtig waren wie die Gebete. Denn während sie redeten, entdeckten sie eine Gemeinsamkeit, die sie zusammenschweißte. Sie hassten Amerika.
Mohammed hatte seinen Doktor der Philosophie in Harvard gemacht, Palan, das dritte Mitglied ihrer Gruppe, ebenfalls. Die beiden teilten sich während des Studiums ein Apartment am Stadtrand von Cambridge. Das vierte Mitglied ihrer Gruppe, Binda, hatte eine Juniorprofessur an der Universität inne. Genau wie Aswan hatte er noch nie seinen Fuß auf amerikanischen Boden gesetzt. Aber wie so viele andere, denen es genauso ging, hasste er das Land deshalb beinahe noch stärker.
Also redeten sie über die US-Regierung. Darüber, wie Amerika aus Blutvergießen hervorgegangen war und rücksichtslos seinen Schatten warf, wo immer es wollte, sei es in Vietnam oder im Iran. Sie redeten über Israel, ihren meistgehassten Feind, und darüber, wie Amerika es mit Waffen und Geld beschützte.
An jenem schicksalhaften Sonntagabend schenkte Aswan Wein in die Teetassen ein. Es war ein besonderer Anlass.
»So wird es funktionieren«, erklärte Aswan. »Nur so kann es funktionieren ...«
Im nächsten Herbst nahm Mohammed wie geplant einen Lehrauftrag an der George-Washington-Universität in Washington, D.C. an. Palan zog
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