PR 2627 – Der verzweifelte Widerstand
eine Explosion.
Das Ächzen von strapaziertem Metall, ein höllischer Lärm, der die Wirklichkeit zu zerreißen drohte.
Jemand schrie.
Anrene versuchte den Überblick zu bewahren und seine Besatzung zu retten. So viele von ihnen, wie es nur möglich war. Für einige, vielleicht die meisten, daran führte kein Weg vorbei, würden die nächsten Minuten die letzten sein.
Der Gedanke ließ sein Inneres in Eiseskälte erstarren.
Dann: ein Lichtblitz.
Viel zu nah.
Viel zu grell.
Begleitet von einem viel zu lauten Donnerschlag.
Derrayn Anrene blieb gerade noch genug Zeit für einen aufblitzenden Gedanken: Also bin ich einer von denen, die jetzt sterben.
Aber ...
... so war es ... nicht.
So war es nicht.
So war es nicht.
»So ist es nicht«, quälten sich vier Worte wie etwas völlig Fremdes über seine Lippen. Die Zunge klebte als dickes, geschwollenes Monstrum in der Mundhöhle.
Er atmete brennende Luft durch die Nase ein.
Aber natürlich brannte sie nicht. Sie war nicht einmal heiß, wie ihm nach einer Sekunde klar wurde. Er las es in den entspannten Gesichtszügen der Frau, die sich über ihn beugte.
Sie zeigte keine Angst. Keine Anzeichen von Hektik oder Panik.
Stattdessen war sie wie ein ruhiger, klarer Pol inmitten des Chaos.
Und sie war schön. Die gewellten Spitzen ihrer rotblonden Haare endeten direkt über den Augenbrauen.
Er tat einen zweiten Atemzug, und es schmerzte nicht mehr so entsetzlich. Wahrscheinlich hatte er in der Nase Verbrennungen davongetragen, als unmittelbar vor ihm ein Aggregat explodiert war. Es gab Schlimmeres.
»Du gehörst nicht zu meiner Mannschaft«, sagte er. Nicht gerade die freundlichsten Worte; nicht einmal die, die ihm am meisten auf der Seele lagen. Aber besser als: »Wieso lebe ich noch, oder bin ich doch tot und dies ist das Danach?«
»Ich bin eine Frau«, antwortete sie.
Er verstand nicht, worauf sie hinauswollte. Möglicherweise sollte es ein Scherz sein, den er nicht begriff. Oder hier im Leben nach dem Tod lief alles ganz anders, als er es sich je hätte vorstellen können ...
Weil er mit dem Rücken auf dem Boden lag, wollte er sich in die Höhe stemmen.
Sie drückte ihm ruhig, aber bestimmt die Hand auf den Brustkorb und hielt ihn zurück. »Mach langsam. Nach der Ohnmacht kannst du Probleme mit dem Kreislauf ...«
»Also lebe ich noch?«, fragte er nun doch.
Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen. »Sieht so aus.« Das Lächeln verschwand, und sie schloss kurz die Augen. »Ich bin Addisona. Den Nachnamen können wir angesichts der Umstände wohl vergessen. Ich war als Journalistin auf der BASIS. Freie Mitarbeiterin für die Talkshow von Giganto Himmelsstürmer.«
Er nickte. »Ich mag ihn nicht.« Schon dieser alberne Künstlername. »Aber vielleicht sollte ich nicht so ehrlich sein zu der Frau, die mir das Leben gerettet hat. Das hast du doch, oder?«
Sie schüttelte den Kopf. »Erstens: Ich mag ihn auch nicht, aber mein Job ist verdammt lukrativ. Zweitens: Ich habe dir das Leben nicht gerettet. Ich kümmere mich erst um dich, seit wir uns mit dem Kreuzer in Sicherheit befinden.«
»Trotzdem danke.«
»Was genau geschehen ist«, sagte Addisona, »weiß ich auch nicht. Die SICHOU-2 und -3 haben schwerste Schäden erlitten, die Evakuierung lief aber gut, und während der Selbstzerstörung dieser Einheiten ist es dem MARS-Kreuzer SICHOU-1 gelungen, unbeobachtet in den Linearraum zu wechseln.«
»Die SICHOU-1«, murmelte Derrayn Anrene nachdenklich.
»Wie du dir denken kannst, befindest du dich genau dort. Wie es den anderen kleinen Beibooten und Kapseln ergangen ist, kann dir niemand sagen.«
Der Kommandant eines BASIS-Tenders, der zumindest in Teilen nicht mehr existierte, setzte sich auf; diesmal ließ er sich nicht daran hindern. »Wie viele leben noch?«
Ein erneutes Kopfschütteln. »Ich weiß es nicht.«
»Wo genau halten wir uns auf?«
»Ein Asteroidengürtel. Ein Sonnensystem ganz in der Nähe des Ortes, an dem die BASIS überfallen wurde. Allerdings sind wir so gut wie orientierungslos. Auch unser Kreuzer hat Beschädigungen erlitten. Die Reparaturen laufen aber gut an, soweit ich weiß.«
Anrene bedankte sich und verdrängte schon im nächsten Augenblick jeden Gedanken an Addisona; er wollte es zumindest. Ihre Augen, tief und klar wie das Spiegelbild eines untergehenden Mondes auf einem ewigen Meer, sah er immer noch vor sich.
Er befand sich im Vorraum einer Notfall-Medostation. Als er sie betrat, wurde ihm schlagartig klar,
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