PR 2634 – Terras neue Herren
bekommen, die wir dringend benötigen. Dann werden wir hoffentlich die Verschwundenen zurückholen können.
Wie viele mochten das verstanden haben?
Kapitulation bedeutete keineswegs Selbstaufgabe, im Gegenteil. Phaemonoe war überzeugt, dass das Kabinett jede denkbare Möglichkeit in Erwägung gezogen hatte. Zweifellos waren verschiedene Szenarien von NATHAN durchgerechnet worden. Die kurzfristige Information über das Ultimatum sah sie gerade als Beweis dafür, dass die Regierung es sich nicht leicht gemacht hatte.
Es würde sich zeigen, wer dem Kabinett und der Ersten Terranerin Verrat an der eigenen Sache vorwarf. Nicht sofort, sondern in den kommenden Tagen und Wochen, während der Durststrecke, die unweigerlich folgen musste. Wie damals, in den Geschichtsholos, als sich die Galaxis scheinbar dem Konzil der Sieben fügte, nur um gemeinsam gegen die Larenherrschaft zu kämpfen. Oder, im Gegenteil, in der jüngeren Vergangenheit, als die bis dahin unbesiegbaren Schiffe der Inquisition der Vernunft auf Terra landeten. Sie hatte erst vor wenigen Monaten ein Feature über die Besetzungen Terras gemacht. Das ließe sich nun bestimmt noch mal senden, der Aktualität wegen. Scheinbare Unterwerfung oder direkten Widerstand, beides hatte es bereits gegeben. Und diesmal? Sie wusste nur, dass diesmal die Terraner allein dastanden.
Vergeblich hielt Phaemonoe nach einem Empfangskomitee Ausschau. Allerdings hatte sie ohnehin nicht erwartet, dass die Erste Terranerin und die Verteidigungsministerin sofort nach der Landung der Sternengaleonen erscheinen würden. Diese Schmach wollte Ybarri auf jeden Fall vermeiden.
Vielleicht eine falsche Entscheidung. Die Redakteurin fragte sich, ob es klug war, die Invasoren so offensichtlich zu ignorieren.
Andererseits ... Anbiedern dürfen wir uns erst recht nicht, das wäre völlig unglaubwürdig.
Ein Gleiter hatte eines der Schiffe verlassen. Über die Kamerasysteme sah Eghoo die beiden Passagiere zum Greifen nah vor sich. Der eine war zweifellos ein Sayporaner, elegant gekleidet mit schwarzem Einteiler und silbergrauer Weste. Der andere war ein bizarres Wesen, fünf lange schlanke Arme um einen vergleichsweise kleinen Körper – ein mit fingerlangen Stacheln bewehrter türkisgrüner Seestern. Eigentlich ein faszinierend schönes Geschöpf. Doch die Erfahrung sagte Phaemonoe, dass oft genug gerade das farbenprächtig Schöne ungenießbar war, mitunter giftig.
Instinktiv hatte sie ihre Übertragungsplattform aufsteigen lassen. Als sie nun beschleunigte und dem Gleiter entgegenflog, stellte sie fest, dass kein anderes Aufnahmeteam das gleiche Wagnis einging. Sie arbeitete allein, das war ein unbestreitbarer Vorteil.
Was sie tat, war gefährlich. Sie riskierte immer viel, sonst wäre ihr Beruf nicht so reizvoll gewesen.
Schnell schrumpfte die Distanz zwischen ihrer Plattform und dem Gleiter. Höchstens noch dreihundert Meter. Jederzeit konnte ihr vernichtendes Abwehrfeuer entgegenschlagen. Womöglich befürchteten die Fremden in dem Moment einen bevorstehenden Anschlag.
Sie breitete die Arme aus und zeigte, dass sie unbewaffnet war. Die Steuerung ihrer Plattform, die sie in der linken Hand hielt, war unverdächtig. Oder nicht?
Ein seltsames Prickeln tobte unter ihrer Kopfhaut. Es breitete sich aus und jagte ihr Rückgrat hinab. Ein Gefühl, als tobten Ameisen unter der Haut. Ebenso plötzlich, wie es angefangen hatte, war die Erscheinung vorbei.
Gescannt und als ungefährlich eingestuft. So musste es sein.
Phaemonoe registrierte, dass der Gleiter langsamer wurde und gleich darauf stoppte. Höchstens noch eineinhalb Meter Distanz.
Der Sayporaner schaute ihr unbewegt entgegen. Sie vermochte sein Gesicht nicht zu deuten, es wirkte weder schön noch hässlich, war wie das Allerweltsgesicht eines Durchschnittsterraners, das es eigentlich nicht gab. Phaemonoe hätte nicht einmal zu sagen vermocht, ob sie einen Mann vor sich sah oder eher eine Frau. Und das Seesternwesen, beachtete es sie überhaupt?
»Ich bin Redakteurin des SIN-TC«, sagte sie. »Phaemonoe Eghoo. Können wir ein Interview machen?«
»Solares Informations-Netzwerk Terrania City.« Der Sayporaner zeigte überraschendes Detailwissen. Zögernd schaute er sie an, nickte langsam. »Mein Name ist Marrghiz. Ich muss anerkennen, dass du einen guten Ruf in der Medienlandschaft hast. Deshalb bin ich einverstanden.«
»Danke für die Lorbeeren!«
Sie hatte es gewusst, sogar Leuten wie den Sayporanern lag an einer guten
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