PR 2638 – Zielpunkt Morpheus-System
Versicherungsmathematiker musste es dann erst in den Weiten der heimatlichen Milchstraße geben?
Ich hatte bisher nicht die Zeit, die Wahrscheinlichkeit dafür auszurechnen, dass ich eines Tages einen Hyperfunkanruf von Homer G. Adams (ja, genau: dem Homer G. Adams!) erhalten würde, und trotzdem ist es geschehen.
Zwei Tage später hatte ich mich auf einer Handelsfähre nach Terra und kurz darauf in der legendären Stahlorchidee der Lichterstadt Terrania wiedergefunden.
Homer benötigte für das Polyport-Konsortium einen Spezialisten in der Versicherungsmathematik. Er hätte meine Arbeiten gelesen und sei überzeugt, dass ich »sein Mann« sei, wie er sich ausdrückte. Er fragte mich geradeheraus, ob ich mir vorstellen könnte, für den ersten Großtransport als Vorsteher der Versicherungsabteilung zu walten.
Ohne groß nachzudenken, ergriff ich seine ausgestreckte Hand, und die Abmachung war perfekt.
Fortan beschäftigte ich mich mit der mathematischen Modellierung sowie der statistischen Schätzung der versicherten Risiken, in erster Linie also der Schäden an Personen oder Sachen. Dazu kamen die Kalkulation des benötigten Preises für die Übernahme solcher Risiken und die Berechnung von versicherungstechnischen Rückstellungen. Auf gut Interkosmo gesagt: Ich habe Homer gesagt, zu welchen Preisen und Bedingungen er die Waren durch das Konsortium versichern lassen müsse, um auf der sicheren Seite zu stehen.
Es versteht sich von selbst, dass die Wahrscheinlichkeit eines versicherungstechnischen Super-GAUS gleich bei der Jungfernfahrt eher gering ist. Aber wie es bereits die legendäre TITANIC hat erfahren müssen: Manchmal macht einem die kleinste Wahrscheinlichkeit die längste Nase.
Aus: Persönliche Aufzeichnungen, M. Felten, Oktober 1469 NGZ
6.
Der Mathematiker und seine Berechnungen
»Wie geht es dir, Ramoz?«
»Gut. Mehr als gut – ausgezeichnet!«
Mondra runzelte die Stirn. Der zwölf Zentimeter lange Dorn irritierte sie noch immer, der aus Ramoz' Auge wuchs – neben einer Reihe anderen Dingen. Zum Beispiel, wie der jugendlich wirkende Humanoide vor ihr mehr im Sessel lag als saß.
»Ist deine Metamorphose mittlerweile abgeschlossen?«, fragte sie. »Sind deine Erinnerungen zurückgekehrt?«
Ramoz schüttelte in völlig menschlicher Manier den Kopf. »Weshalb sollte ich rückwärts blicken, wenn die Zukunft so viel heller erscheint?«
Mondra fühlte, wie sie langsam die Geduld verlor. Seine Art störte sie. Er war so ganz anders als das halb intelligente Haustier, das er so lange gewesen war.
»Du hast mich während der Lagebesprechung beinahe aus dem Konzept gebracht«, warf sie ihm vor. »Lass dein dämliches Gefeixe!«
Ramoz verzog das Gesicht zu einem süffisanten Lächeln. »Oh, aber es ist gar nicht dämlich. Es zeigt den anderen, wie wir zueinander stehen.«
»Lass es einfach! Sonst steht es bald gar nicht mehr, verstanden?«
»Oh!«, machte Ramoz und setzte sich gespannt auf. »Das ist nun wirklich interessant. Also besteht doch etwas, egal, was du offiziell zugibst?«
»Du missverstehst mich. Unabhängig von deinem Stand der Dinge sind wir ... Bekannte. Was früher war, ist vorbei, du bist nicht mehr mein ...«
Ramoz feixte. »Sag's nur: Haustier. Denn das war ich ja für dich, nicht wahr? Als ich weniger ich war als jetzt, da warst du zärtlich zu mir, liebevoll, du hast mir deine Geheimnisse anvertraut, deine Tränen in den einsamen Nächten ... als nichts zwischen uns war als die kühle Luft und nur meine Augen das Dunkel durchdrangen und ...« Während er sprach, mit weicher, dunkler, irgendwie anzüglicher Tonlage, hatte er sich langsam zu ihr gebeugt, sodass seine Augen jetzt direkt vor ihrer Brust waren.
Mondra stand ruckartig auf. »Wenn du dir nicht jede Menge Ärger einhandeln willst, hörst du jetzt sofort auf!«
»Oha!«, sagte Ramoz, ohne sich merklich aus der Ruhe gebracht zu zeigen. »Ärger kann sehr ... stimulierend sein, oder nicht? Willst du wirklich unsere Beziehung verleugnen? Niemand konnte dir je das geben, was ich dir gab. Kein Rhodan, kein Norman. Niemand. Und das weißt du genau.«
Diamond sog scharf Luft ein. Ihr lag eine gepfefferte Replik auf der Zunge, aber sie schluckte sie hinunter. Selbst wenn seine Annäherungsversuche abstrus waren, lag er nicht ganz falsch: Die alte Vertrautheit, die in sechs gemeinsamen Jahren entstanden war, existierte weiterhin und machte sie verletzlich und beeinflussbar – selbst wenn sie keineswegs positiv
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