PR 2644 – Die Guerillas von Terrania
als ein unbewegliches Ziel auf dem Schießstand.
Sie löste den Finger erst wieder, als der Fagesy zu Boden gestürzt war, in die zerfledderten Reste seines Rüstgeleits gehüllt und von Nadeln aus Eudos Waffe gespickt. Das Magazin ihrer Waffe zeigte Rot. Sie wusste nicht einmal, wann es umgesprungen war.
Sharoun schob die nutzlos gewordene Waffe ins Holster und rannte die Stufen hinauf zurück auf die Plattform. Nirgends war noch eine Spur von dem Schatten zu sehen, der sie gerade alle gerettet hatte.
Keine Zeit zum Grübeln. Zeit, den Plan zu Ende zu bringen, jetzt, da wir es können.
Barisch stand bereits bei dem betäubten Fagesy und riss das Netz von ihm herunter. Eudo half ihm, störende Teile des Rüstgeleits wegzubrechen und einen Arm des seesternartigen Wesens herauszuziehen. Während der Xenobiologe in den ersten Arm eine Substanz injizierte, die dafür sorgen sollte, dass der Fagesy noch lange bewusstlos blieb, half Sharoun Barisch beim Herausziehen des zweiten und dritten. Der vierte jedoch gab ihrem Zerren nicht nach.
»Er steckt fest«, knurrte Barisch. »Entweder unter dem Schock verkrampft oder im Rüstgeleit eingeklemmt.«
»Versuchen wir erst einmal den anderen. Vielleicht geht es dann hier leichter.«
Der fünfte Arm steckte ebenfalls fest.
»Na gut, dann eben so.« Ohne ein weiteres Wort zückte Eudo sein Vibromesser und stach es tief in einen der feststeckenden Arme, wo dieser im Gestänge des Rüstgeleits verschwand.
»Seesterne können ihre Arme nachwachsen lassen. Machen wir doch die Probe aufs Exempel, ob die Fagesy ihnen auch darin gleichen.«
Sharoun nickte und zog ebenfalls ihr Messer. Es war die logische Lösung, denn sie konnten den Gefangenen nicht mitsamt dem Rüstgeleit hier herausbekommen, und sie hatten nicht viel Zeit. Bald würde Verstärkung eintreffen.
Konzentriert arbeitete Sharoun an dem Arm, durchtrennte zügig zuckende Muskeln, Sehnen und Haut. Graugrüner Sirup sickerte aus der immer größer werdenden Wunde. Je weiter sie vorstießen, umso flüssiger wurde er.
»Was tut ihr da?«
Die Stimme ließ sie hochschrecken. Ein kleiner Junge stand ihr gegenüber, die Augen weit aufgerissen und die Arme um den Körper geschlungen, als würde er frieren. Sharoun erstarrte für einen Moment, ehe sie Snacco erkannte.
»Wir machen das, weshalb wir hergekommen sind«, sagte sie. »Wir bergen unseren Gefangenen.«
»Aber ihr verletzt ihn. Er ist wehrlos.«
»Wir tun genau das, was wir tun müssen, um ihn da rauszuholen.« Sharoun war fertig und richtete sich auf. Das Sickern der Brühe schien nicht enden zu wollen. Sie suchte nach etwas, womit sie es abbinden konnte.
»Das ist nicht richtig.«
»Wenn wir ihn hier lassen, sind Xanno und Bhacc umsonst gestorben«, sagte Barisch mit gepresster Stimme. »Willst du das?«
Snacco starrte auf den Fagesy. Das Zucken des bewusstlosen Leibes schien direkt auf ihn überzugehen. Er streckte eine Hand aus.
»Ich werde euch helfen«, sagte er. »Und ihm.«
Sharoun hatte schon Matten-Willys bei der Umwandlung gesehen. So etwas wie bei Snacco aber noch nie. Er musste ein Mutant sein, das erklärte auch seine Fähigkeit, eine angenommene Gestalt vergleichsweise lange stabil zu halten. Snacco schob sich über den Fagesy. Er legte sich um die Wunden und zog auch die intakten Arme heran, umhüllte ihren schwer verwundeten Gefangenen wie ein Kokon. Sofort endete die Blutung.
Barisch warf das desaktivierte Netz darüber und hob mit Eudo die Kugel aus den Trümmern des Rüstgeleits.
»Los, weg hier!« Er nickte in die Richtung, aus der gerade eine lange Reihe Gartenroboter kam. Zur Ablenkung kamen sie etwas zu spät, doch sie mochten ihren Rückzug decken.
Wortlos griffen sie in die Maschen und rannten.
13.
Terrania Silverbridge
23. Oktober 1469 NGZ
Der Blick vom Rand der Aussichtsterrasse fesselte Fydor Riordan nur einen kurzen Augenblick lang. Unten hinderte ein dunkles Abschirmfeld die wenigen nächtlichen Passanten daran, die Stelle zu betreten, an der sich die Leichen eines Fagesy und eines Menschen fast untrennbar vereint hatten.
Es war schwer gewesen, Genmaterial zu gewinnen, das eindeutig nur dem Menschen gehörte. Die Identifizierung des Toten auf der Terrasse hingegen war flott gegangen. Fydor las die Daten auf seinem Multikom.
Bhacc Nieslin, 49 Jahre, Robotdesigner bei Martak Automation. Ein Sohn, Ambas, aus einem vor acht Jahren gelösten Ehekontrakt. Zählt zu den Verschwundenen. Mutter des Kindes inzwischen mit
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