Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

PR 2645 – Die Stadt ohne Geheimnisse

Titel: PR 2645 – Die Stadt ohne Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
Vom Netzwerk:
konnten, aus denen man sich mit Nahrungsmitteln versorgen konnte, mit Tüchern, Medikamenten, Rauschmitteln.
    Neben Anicee befand sich eine Konstruktion, die Routh an einen Brunnen erinnerte: Eine gläserne Schale hing an einem spinnseidenen Faden von der Decke. Sie pendelte, von einer unsichtbaren Kraft angetrieben. Das Gefäß war angefüllt mit einem gelblich klaren Öl oder Sirup, der, den Pendelbewegungen folgend, mal an dieser, mal an jener Seite über den Rand trat. Die zähe Flüssigkeit sammelte sich, bis sie einen fast faustgroßen Tropfen gebildet hatte. Der Tropfen fiel ab, schlug in einem flachen Bassin auf und löste makellose Ringe von flachen, trägen Wellen aus.
    »Gefällt dir der Niederbrunnen?«, fragte Anicee.
    Routh betrachtete das Schauspiel widerwillig und zugleich gebannt. Hatte es in den archaischen Perioden der Erdgeschichte nicht etwas gegeben, was nach demselben Prinzip funktionierte? »Die chinesische Wasserfolter im sayporanischen Design«, sagte er laut.
    »Es gefällt dir nicht«, stellte Anicee fest.
    »Mir muss es nicht gefallen. Fühlst du dich wohl?«
    »Ich mag die großzügigen Räume«, sagte sie. »Das Gefühl von Abstand zu allem, ganz für mich allein zu sein.«
    »Aha.« Routh starrte demonstrativ durch die transparenten Wände und Decken.
    Anicee schaute ihn ernst an. »Ich weiß, was du meinst. Du glaubst, ich sei hier allen Blicken ausgeliefert. Ich hätte keine Privatsphäre.«
    »Hast du?«
    »Brauche ich sie?«
    Routh fürchtete, sie würde ihm sagen, dass sie ja nichts zu verbergen habe. Aber sie kam nicht darauf zu sprechen. »Warum verfolgst du mich?«
    »Verfolgen? Ich verfolge dich nicht. Du bist meine Tochter.«
    »Das eine schließt das andere aus?« Sie zog die Stirn kraus.
    »Müssen wir über Vokabeln streiten?«
    »Streiten wir denn?« Sie schien ehrlich verwundert.
    Er schüttelte den Kopf.
    Sie schwiegen. Ein weiterer öliger Tropfen fiel geräuschlos in das Bassin.
    Anicee lächelte. »Wie geht es dir, Sham? Wie geht es Henri? Ma regirrt?«, zitierte sie ihren Ausspruch aus Kindertagen.
    »Oh, es geht ihr wunderbar«, sagte er. »Sie ist munter dabei, die Leichenberge beiseitezuräumen, die sich durch die Versetzung des Solsystems aufgehäuft haben. Die Angehörigen der entführten Kinder, die nicht einmal wissen, ob sie noch leben, warten auf eine Antwort, die ihnen weder deine Mutter noch die ganze Solare Residenz geben kann. Anicee – was ist das für eine Frage? Ich denke, es geht ihr so wie all den unzähligen anderen, denen man euch gestohlen hat. Grauenvolle Taten wie die der Auguren lösen Grauen aus.«
    Ihr Lächeln blieb. »Es ist eine persönliche Frage gewesen. Ich wollte keinen Vortrag hören. Aber danke für deine Belehrung.«
    Routh zuckte die Achseln.
    Anicee sagte: »Den besorgten Angehörigen könnte man sagen: Die Entführten sind nicht entführt worden. Von Diebstahl ist keine Rede. Wir haben ein Angebot angenommen, das großherziger war, als die meisten Menschen es sich vorstellen können. Übrigens ist Gadomenäa ein sichererer Ort als Terra. Wenn die Besorgten es mit ihrer Besorgnis ernst meinen und nicht etwa Besitzansprüche an ihrem Nachwuchs geltend machen wollen: Sie können beruhigt sein.«
    »Die Toten sind schon sehr ruhig«, sagte Routh. »Geradezu vorbildlich, oder?«
    Anicee winkte ab. »Was soll das? Willst du mit mir reden oder Schlagzeilen aufsagen für dein großartiges Solares Informations-Netzwerk Terrania City?«
    »Danke für die Blumen! Ich habe nie behauptet, dass das SIN-TC großartig sei. Es ist, was es sein soll: informativ.«
    »Wie auch immer. Solche Slogans werden vielleicht deine Gespielin mit dem Haifischlächeln begeistern. Wie hieß sie gleich?«
    »Phaemonoe«, half er ihr aus.
    »Phaemonoe. Ist sie inzwischen lieber mit dir im Bett oder mit ihrem Trauminduktor?«
    Routh hob verwundert die Brauen. »Komm zurück und frag sie.«
    Anicee winkte ab und gähnte. »Es war ein langer Tag. Entschuldige, Sham.«
    »Du musst unsere Sorge verstehen«, sagte er behutsam. »Und unseren Zorn. Die Versetzung, die darauf folgenden Katastrophen – haben denn die unrecht, die meinen, all das sei auf die Auguren zurückzuführen? Und dass unsere Kinder sich ausgerechnet den Urhebern dieser Zerstörungen anschließen ...«
    »Ist das deine Interviewtechnik? Das ist nichts als ein Haufen suggestiv formulierter Unterstellungen!«
    »Die Sayporaner haben nichts mit der Versetzung zu tun?«
    Anicee dachte nach. »Die

Weitere Kostenlose Bücher