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PR 2647 – Der Umbrische Gong

Titel: PR 2647 – Der Umbrische Gong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Lukas
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Lächeln.

7.
    Die Leihgabe
    20. November 1469 NGZ
     
    »Bitte, behandelt ihn äußerst rücksichtsvoll«, sagte die Betreuerin, die den Jungen in den TLD-Tower begleitet hatte. Ihr matronenhaftes Gehabe wurde noch dadurch verstärkt, dass sie der Volksgruppe der Überschweren angehörte.
    »Ich versichere dir, bei uns ist er in besten Händen«, beschwichtigte sie Fydor Riordan. »Wir werden ihn hüten wie den eigenen Augapfel. Vergiss nicht, dass deine Vorgesetzte, Assistentin Kekolor, selbst ein Funkenkind ist und ein Psi-Talent besitzt. Sie weiß, wie man damit umgeht.«
    Der Junge hieß Ofner Kiwanika. Er war Terraner und 22 Jahre alt, sah aber aus wie höchstens dreizehn. Das Gespräch verfolgte er stumm, mit ausdruckslosem Mondgesicht und leicht herabhängender Unterlippe.
    »Ofner nimmt selbst unter den Zöglingen von TIPI eine Sonderstellung ein«, beharrte die vierschrötige Matrone. »Er ist in seiner Entwicklung zurückgeblieben, weil hochgradig traumatisiert, und ...«
    »Ich weiß«, unterbrach Fydor. »Wir haben uns umfassend über ihn informiert.«
    »Meiner Meinung kommt es viel zu früh, dass sich der TLD seiner Fähigkeiten bedient.«
    »Diese Entscheidung musst du schon uns überlassen. Ich verstehe deine Bedenken vollkommen und würde sie unter anderen Umständen teilen. Aber schwierige Zeiten verlangen nun mal, ähem, außergewöhnliche Maßnahmen.«
    »Er ist sehr labil, geistig wie körperlich. Bitte achtet darauf, ihn nicht zu überanstrengen.«
    »Hier im TLD-Tower sind wir bestens für solche Fälle eingerichtet. Du kannst ganz beruhigt sein. In einem unserer Speziallabors wurden bereits Vorkehrungen getroffen, die auch eine perfekte medizinische Versorgung beinhalten. Wir werden uns doch nicht mutwillig einer derartigen Zukunftshoffnung berauben, wie sie dieser hochbegabte junge Mann darstellt!«
    »Trotzdem wäre ich gern dabei.«
    »Bedauerlicherweise erlaubt dies unser Reglement nicht. Die Ausnahmegenehmigung zum Betreten der Tiefgeschosse wurde nur für Ofner Kiwanika erteilt. Dir nachträglich ebenfalls ein Permit auszustellen, würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen, die wir leider nicht haben. Du kennst ja die Mühlen der Bürokratie. Ich danke dir für dein Verständnis.«
    Mit dem Versprechen, ihren Schützling schon bald wieder wohlbehalten ins Terranische Institut für Paranormale Individuen zurückzubringen, komplimentierte Fydor die Überschwere aus dem Empfangsbereich.
    Zu dem Jungen, dessen fast farblose, wässrige Augen ins Nichts glotzten, sagte er: »Komm mit, Ofner. Gleich lernst du neue, lustige Spielgefährten kennen.«
     
    *
     
    Der TLD-Tower war, wenn man so wollte und die Antennen-Aufbauten vernachlässigte, exakt null Meter hoch, aber zwei Kilometer tief : zur Gänze unterirdisch angelegt, ein »negativer« oder »umgedrehter« Turm also, von der Form eines Kegelstumpfes, oben zwei und auf der untersten Ebene anderthalb Kilometer durchmessend.
    Fydor Riordan, die Stille Ve und Ofner Kiwanika, der sich gleichfalls nicht unbedingt als Plaudertasche entpuppte, begaben sich ins 76. von 104 offiziellen Stockwerken; hartnäckige Gerüchte behaupteten, es existiere noch irgendwo eine weitere, streng geheime Etage.
    Im Experimental-Labor, dessen Räumlichkeiten für ihr Vorhaben adaptiert worden waren, warteten ein Xeno-Chirurg und zwei Fagesy, die ihre Rüstgeleite zu provisorischen Sitzgestellen umgestaltet hatten. Einer davon war Chossom, der Kommandant der Schlangenstern-Wesen.
    Riordan mochte ihn nicht; eine Abneigung, die auf Gegenseitigkeit beruhte. Aber sie brauchten einander, bei dieser Sache ganz besonders. Deswegen musste er den Hohen Marschgeber wohl oder übel kurzzeitig in seinem Hauptquartier erdulden.
    »Bereit?«, fragte er. Höflichkeitsfloskeln konnte man sich, seiner Erfahrung nach, bei Chossom getrost schenken.
    Aus dem Translator des Fagesy dröhnte, überlaut wie meist: »Ja. Der Freiwillige verzichtet auf die Einnahme von Betäubungsmitteln.«
    »Gut. Dann ans Werk. Schneidet ihm die Arme ab!«
     
    *
     
    Die Prozedur war notwendig, da sich die parapsychische Fähigkeit des kleinwüchsigen, blässlichen Jungen nur indirekt aktivieren ließ.
    Ofner Kiwanika litt unter dem Trauma, im frühen Kindesalter seine Mutter verloren zu haben. Zu den psychischen Symptomen, die er während des Heranwachsens ausgebildet hatte, gehörten Essstörungen, emotionale Taubheit – und ein Psi-Talent, das von den TIPI-Fachleuten als »Präsenz-Spüren« umschrieben

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