PR 2656 – Das Feynman-Kommando
Thermosphäre auf Tangentialkurs gehen und fünf der Torpedos vernichten.«
»Aye.«
Shanda Sarmotte lehnte sich zurück. »Muss ich irgendetwas tun? Daumen drücken? Hoffen?«
Bull grinste. »Genieß die Show.« Er dachte kurz nach. »Und schick unseren Gästen ein paar beruhigende telepathische Telegramme.«
Sarmotte nickte stumm und starrte in das Holo. Bull sprach gelegentlich etwas, leise und bestimmt; ansonsten war es still in der Zentrale. Wenn Bull schwieg, hörte sie sich und ihn atmen. Die Auswirkungen seiner Kommandos verfolgte sie im Panoramaschirm.
Die KLEOPATRA tauchte in die Methanatmosphäre des Uranus ein. Die Geschütze nahmen die anfliegenden Torpedos ins Visier und brachten fünf von ihnen nacheinander zur Explosion. Im Schirm entfalteten sich lautlose Energieblüten; für die ausgelösten Schallwellen flog die KLEOPATRA zu schnell.
Die nächsten Aktionen sah Sarmotte sich kurze Zeit später in einer Aufzeichnung an, in extremer Zeitlupe. Mit dem bloßen Auge war, was sich in dem nächsten Sekundenbruchteil tat, nicht zu fassen.
Die KLEOPATRA schleuste drei ihrer fünf Space-Jets aus, die sofort beschleunigten, eng aneinander rückten und maximal fünf Meter Abstand zur Hülle des Mutterschiffes hielten.
Die Jets aktivierten ihre HÜ-Schirme, verschmolzen sie miteinander und mit dem Schirm der KLEOPATRA. Die KLEOPATRA selbst beschleunigte mit all ihren Möglichkeiten, aktivierte den Paros-Schirm, ließ den Pulk der Jets zurück, der von dem letzten Antimaterie-Torpedo getroffen wurde und explodierte.
Die KLEOPATRA ging in eine kurze Linearflugetappe und fiel in der Nähe der Neptun-Bahn wieder in den Normalraum zurück. Die Fernortung des Schiffes zeigte die drei Sternengaleonen, die langsam durch die Methanatmosphäre des Uranus drifteten, wohl auf der Suche nach Trümmern.
»Treffer und versenkt.« Bull grinste und verschränkte die Arme im Nacken. »Die Herren Fagesy können eine Siegesparty schmeißen und ihrem Kommandeur ein paar Kilo Orden an die Brust heften.«
»Wahrscheinlich die übliche Prozedur bei den Fagesy«, sagte Sarmotte. Ihre Stimme klang rau; sie räusperte sich.
»Alles in Ordnung?«, fragte Bull.
»Warum auch nicht?«, fragte sie zurück. »Es ist übrigens 22.10 Uhr. Wir sollten uns auf den Heimweg machen.«
»Rückflug zum Kastell!«, beauftragte Bull die Positronik und stand auf. »Gehen wir inzwischen und sagen unseren Gästen Guten Tag.«
*
Wenn es einen Engel der Technik gäbe – so würde er aussehen: rein und ohne Fehl, dachte Bull, als er, die Hände in die Seiten gestemmt, vor der Rakete stand.
Er hatte viele Raumschiffe gesehen, die waffenstarrenden Metalllandschaften der Posbis, die fliegenden Festungen der GWALON-Klasse, die BASIS und die SOL. Sie alle sprengten das Fassungsvermögen der menschlichen Vorstellungskraft durch ihre gewaltigen Dimensionen.
Die Technosphäre, die die ANÄIRY geschaffen hatte, war einen ganz anderen Weg gegangen: Sternenschiffe, deren Maschinerie nicht ausladend und raumgreifend war, sondern miniaturisiert, in sich gekehrt.
Und außerordentlich schön.
Der spindelförmige Leib maß am unteren verdickten Ende kaum mehr als einen halben Meter; zur Spitze hin verjüngte sich das Schiff noch merklich. Das Gebilde erschien zugleich leicht und unverrückbar, fragil und unangreifbar. Obwohl seine Hülle im Wesentlichen unstrukturiert war – es gab keine An- oder Aufbauten, keine Antennen, Öffnungen, Triebwerkseinheiten –, kam kein Zweifel an seiner technischen Beschaffenheit auf. Zu ebenmäßig, zu vollkommen, zu sehr idealisiert wirkte das Schiff.
Schiff? Wie kann man an Bord eines solchen Schiffes gehen? Wie kann man an Bord eines solchen Schiffes fliegen? Stehen die beiden Passagiere einander auf den Schultern, eng aneinander gepresst?
Die Hülle vereinte verschiedene Farben – und sie spiegelte damit nicht das einförmige Licht des Hangars wider. Ein silbrig metallischer Ton überwog, aber es mischten sich rötliche, grünliche, violette Schimmer ein, die mal über die Hülle wanderten, mal einfach nur aufleuchteten und wieder erloschen.
Bull sah Sarmotte fragend an. »Und jetzt?«
Sarmotte trat einen Schritt nach vorn auf die ANÄIRY zu und klopfte an.
Unmittelbar darauf verstärkte sich einer der violetten Flecken und glühte auf.
Bull und Shanda schlossen die Augen vor der Lichtflut. Als sie sie wieder öffneten, standen zwei humanoide Gestalten neben ihr: ein unvorstellbar alter Sayporaner und
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