PR 2659 – Toufec
seinem Sohn Belsazar übertragen hatte, um in Tiamat das fröhliche Leben eines Exilregenten zu führen.
Der Lärm war unbeschreiblich, der Geruch noch unbeschreiblicher, die Staubwolke über der Stadt gigantisch – doch man brauchte sich nur in einen der Palmenhaine zu begeben, wo die Luft klar war und einen Hauch von Frische aufwies und der Wind in den Palmwedeln raschelte, um zu vergessen, dass man sich mitten im hektisch pochenden Herzen einer ganzen Region befand.
»Es tut mir leid«, sagte Toufec, dessen Zorn auf Asin verraucht war, und ließ diesem den Vortritt ins Haus.
Asin hob die Schultern. Der junge Bursche ließ sich schwer auf sein Lager plumpsen. »Wie geht es jetzt weiter?«
Toufec lächelte zuversichtlich. »Ich werde eine andere Möglichkeit erhalten, dem Oheim meinen Wert zu beweisen.«
»Und bis dahin? Du musst doch das Blutgeld für Labaschi und die anderen bezahlen! Wie viel haben wir danach noch?«
»Genug, duppussû, genug.«
»Genug wofür? Um spätabends auf dem Markt einzukaufen, wenn die Früchte halb verdorben sind, das Fleisch voller Fliegeneier und der Käse von Maden durchtunnelt?«
Toufec zog es vor, nicht zu antworten.
Asin seufzte. »Mir ist schon klar, dass es meine Schuld ist.«
»Sie wären so oder so über uns hergefallen. Yazid ben Zair ist der Sohn eines Skorpions!«
Asin erwiderte nichts auf diesen durchsichtigen Versuch Toufecs, seinen kleinen Bruder zu trösten.
Toufec hatte seine Rückkehr nach Tiamat feiern wollen. Nun legte er sich niedergeschlagen auf seine Schlafstätte und versuchte, die Enttäuschung zu überwinden und die Gesichter der vier Männer zu verdrängen, die ihm vor Augen standen und in deren Zügen der Vorwurf zu lesen war, dass er die Verantwortung für ihren Tod trug.
Am nächsten Morgen war Asin verschwunden.
5.
Das Morgenlicht war fremdartig und unheimlich. Toufec folgte einem zunehmenden Strom von Menschen, die zur äußeren Mauer strebten. Er machte sich noch keine Sorgen wegen Asins Verschwinden; sein Bruder war alt genug, um sich nicht abmelden zu müssen, wenn er durch die Stadt streifen wollte.
Die Wachen ließen die Neugierigen bereitwillig auf den Wehrgang klettern. Sie schienen von dem Phänomen weit draußen in der Ebene genauso fasziniert wie alle anderen.
Toufec sah eine dunkle Wand weit entfernt im Osten stehen. Sie sah aus, als sei eine Gewitterwolke bis auf den Boden gesunken. Ein großer Ausschnitt des Horizonts wurde von ihr bedeckt. Über der Wolke war der Himmel klar und von einem seltsam fahlen Blau überzogen; die Sonne war hoch genug gestiegen, um beinahe über den oberen Rand der Wand zu scheinen. Sie warf diffuse braune Schatten auf den Boden und ein krankes rötliches Licht auf die Mauern.
In der Wolke, die dunkler wurde, je näher sie dem Boden kam, zuckten Blitze. Kein Donner war zu hören, kein Sturmbrausen; stattdessen konnte man über das beklommene Gemurmel der Zuschauer ein fernes Prasseln und Reißen vernehmen, als würde eine mächtige Stimme Verwünschungen flüstern, deren Worte man nicht verstand.
Toufec starrte die Wand an, die seiner Schätzung nach mindestens vier oder fünf Kamelstunden von Tiamat entfernt stand. Sie musste riesig sein, wenn sie trotz der Entfernung so bedrohlich wirkte, und das Flüstern musste ein Röhren sein, wenn man mitten darin war. Es war ein samum, ein Giftwind: ein Staubsturm, aber von so gigantischen Ausmaßen, wie er nur alle paar Generationen vorkam.
Toufec hatte noch nie einen samum dieses Ausmaßes gesehen. Das Allerbefremdlichste war, dass die Wand nicht näher zu kommen schien. Toufec hörte die Mauerwachen erklären, dass die Wolke noch immer an der Stelle war, wo sie sie bei Tagesanbruch zum ersten Mal gesichtet hatten. Sie stand dort wie ein fernes, flüsterndes, Blitze zuckendes Omen, als sammle sich der Zorn aller Dämonen. Und während er so betroffen wie alle gaffte, meldete sich plötzlich Sorge in Toufec: Sorge um seinen kleinen Bruder. Ihm war eingefallen, was er Asin über Staubstürme erzählt hatte.
Der Oheim schien erfreut, Toufec zu sehen. Wie immer stand sein Palast allen Bittstellern offen, doch anders als sonst befand sich kaum jemand im Hof, um einen Gefallen zu erbitten. Auf dem flachen Dach standen einige Leibwächter und spähten nach Osten. Die Sonne stand mittlerweile über der riesigen Wolke, doch ihr Licht war genauso unheimlich wie zuvor, und die von ihm geworfenen Schatten zuckten und tanzten.
»Toufec«, sagte der
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