PR 2659 – Toufec
Oheim. »Nimm einen Schluck Dattelwein! Gut, dass du hier bist. Du willst eine zweite Chance, mein Junge, wie? Du kriegst sie. Und zwar gleich. Was immer das da draußen noch ist, es ist auf jeden Fall auch ein Staubsturm, und was passiert bei einem Staubsturm?« Er gab sich die Antwort selbst: »Karawanen geraten hinein und verschwinden auf Nimmerwiedersehen. Deshalb wird jeder Karwan-Baschi in Tiamat dazu raten, den Sturm abzuwarten. Ich möchte, dass du zu meinen Karawansereien gehst und den Händlern erklärst, dass sie selbstverständlich willkommen sind, so lange hierzubleiben, dass es aber große Umstände macht und dass der Preis für einen weiteren Tag im Schutz meiner Dächer deshalb doppelt so hoch ist wie sonst.« Der Oheim lehnte sich zurück und lächelte.
Toufec war bewusst, dass der Oheim ihm ein mehr als großzügiges Angebot machte. Die meisten Karawanenführer würden den Wucherpreis bezahlen, das stand außer Frage. Toufec als der Geldeintreiber würde einen Anteil davon behalten dürfen.
Außerdem würde der eine oder andere Karwan-Baschi Toufec bestechen, damit er sich bei der Menge der Kamele verzählte und die Preiserhöhung geringer ausfiel. Es war ein offenes Geheimnis und dem Oheim egal, solange sein persönlicher Verdienst nicht allzu sehr darunter litt. Kurz gesagt: Toufec würde mit leichter, ungefährlicher Arbeit die Kosten wieder hereinbekommen, die das Blutgeld für die gefallenen Krieger verursachte, und es würde noch genug übrig bleiben.
»Du fängst am besten gleich an«, ermunterte der Oheim.
Mit dem Gefühl, in die Hand zu beißen, die ihn fütterte, sagte Toufec: » Bélu, darf ich stattdessen einen freien Tag von dir erbitten?« Er verwendete bewusst die ehrerbietige Anrede »Meister«, um den Oheim gnädiger zu stimmen.
Toufecs Herr blinzelte verwirrt, und Toufec sah mit einem sinkenden Gefühl im Bauch, wie sich seine Miene verdüsterte. »Du willst ... was?«, brachte der Oheim heraus.
»Asin ist verschwunden«, sprudelte Toufec hervor. »Ich glaube, es ist wegen des samum. Ich fürchte, er glaubt an die Geschichte, dass in einem Staubsturm Dschinni tanzen und dass sie einem Wünsche erfüllen, wenn man sie zu fassen kriegt, und er denkt, das Desaster mit der Karawane sei seine Schuld, und will es wahrscheinlich wiedergutmachen, indem er ...«
»Mir ist es egal, was der kleine Nichtsnutz denkt!«, brüllte der Oheim los. »Ich will, dass du die Miete für einen weiteren Tag in meinen Karawansereien eintreibst!«
» Bélu, er ist doch mein Bruder«, bat Toufec.
»Und ich bin dein Herr, wie du nicht müde wirst zu betonen.«
»Aber ...«
»Halt den Mund, Toufec!« Der Oheim war auf die Beine gekommen.
Toufec konnte erkennen, wie wütend der Mann war. Auf eine seltsam unpersönliche Art konnte er ihn sogar verstehen. Versager in des Oheims Truppe hatten kein langes Leben; und doch hatte er sich gegenüber Toufec gnädig und generös gezeigt. Er musste das Gefühl haben, dass Toufec auf seine Großzügigkeit spuckte.
Toufec sah ein, dass er keine Wahl hatte. »Verzeih, bélu«, sagte er und kniete nieder. »Ich bin dein Diener.«
Der Oheim funkelte ihn an. »Ich sollte dir die Haut in Streifen abziehen und dich dann zum Trocknen in die Sonne hängen!«
»Ich werde dabei laut deine Lobpreisung singen, bélu«, sagte Toufec. Er schaute den Boden an.
Der Oheim grunzte. Toufec spähte vorsichtig nach oben. Er sah, dass sich ein Grinsen durch die finstere Miene seines Herrn stahl.
»Hau schon ab«, brummte der Oheim. »Wenn du schnell machst, bist du vor Einbruch der Dunkelheit fertig. Was du dann tust, ist deine Sache.«
6.
Der Oheim hatte Kamele, Pferde und Esel in einem großen Stall stehen, der zwei Gassen von seinem Palast entfernt stand. Eine Abzweigung eines der Kanäle, die vom Großen Brunnen wegführten, lief direkt hindurch, sorgte beim Eintritt für Frischwasser und beim Austritt dafür, dass der größte Teil des Mists und der Abfälle mitgenommen wurde, verpestete die Grundstücke, die danach kamen, und war insgesamt höchst illegal. Toufec zögerte beim Eingang.
Wenn er tat, was er tun wollte, würde er zum Ungehorsam und zum Treuebruch noch Diebstahl hinzufügen.
Nachdenklich drehte er die Siegelrolle, die der Oheim ihm ausgehändigt hatte, um die Wuchermieten zu quittieren, in den Fingern.
Er spürte eine seltsame Stimmung in sich. Ein großer Teil davon war Trotz gegen eine Anordnung, die ihm aufgezwungen worden war und die er
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