PR 2659 – Toufec
nicht ausführen wollte, weil sie seine eigenen Absichten durchkreuzte. Aber es war auch Trauer dabei, weil etwas enden würde, was er bislang für sein Leben gehalten hatte; Schmerz, weil es nicht einfach war, einem Mann die Treue zu brechen, der wahrscheinlich sein Vater und immer ein großzügiger Herr gewesen war; und Angst, weil er nicht wusste, wie es danach weitergehen sollte.
Eines war jedoch ebenso klar: Die Sorge, die er um Asin empfand, war mächtiger als die anderen Gefühle, und er wusste, wie er selten etwas gewusst hatte, dass sein kleiner Bruder in Not war und dass Toufec seinen Anteil daran hatte.
Er suchte sich das schnellste Pferd heraus; die Stallknechte, die ihn kannten, hielten ihn nicht auf. Als er nach einem zweiten Wasserschlauch fragte, händigten sie ihm einen aus. Nach kurzem inneren Kampf drückte er einem von ihnen die Siegelrolle in die Hand. »Bring sie zum Oheim. Sag ihm, sie kommt von mir.«
»Wie du willst.«
Als er zum östlichen Stadttor hinausritt, kümmerte sich niemand um ihn. Alles gaffte zu dem unheimlich bewegungslos am Horizont verharrenden Staubsturm. Toufec drehte sich nicht um. Ganz gleich, ob Asin etwas zugestoßen war oder nicht, ob er ihn fand oder nicht – er würde niemals an diesen Ort zurückkehren können, solange der Oheim lebte. Verrat konnte nicht einmal einem Mann wie Toufec nachgesehen werden. Das Gleiche galt für alle Oasenstädte, in denen der Oheim durch sein verzweigtes Netz an Geschäftsbeziehungen Einfluss hatte. Toufec würde von nun an ein Gejagter sein.
Ein paar Atemzüge war er versucht, wieder umzukehren. Vielleicht war Asin längst zu Hause und alle Sorge umsonst? Vielleicht warf er sein Leben ganz unnütz fort?
Aber tief im Herzen wusste Toufec, dass Asin mit einigen Stunden Vorsprung zu dem größten Staubsturm unterwegs war, den Tiamat seit Generationen gesehen hatte, mitten hinein in die schon unter normalen Umständen tödliche Wüste Nefud. Asin würde versuchen, einen der tanzenden Dschinni zu fassen, um den Fehler wiedergutzumachen, den er begangen hatte.
Dabei war es in Wahrheit Toufecs Fehler gewesen. Er hätte dem Jungen nicht die Verantwortung des Wächters übertragen sollen. Und deshalb war es nur richtig, dass er sich auf den Weg machte, um Asin vor seiner eigenen Torheit zu retten.
Der Staubsturm erhob sich am Horizont, mahlend, flüsternd, dräuend, Gestalt gewordene Dunkelheit. Toufec galoppierte mitten hinein.
7.
Er hatte Chaos erwartet, und Chaos empfing ihn. Der Wind war heiß, und er war wie eine Walze, eine Sandhose, die nicht aufrecht stand, sondern sich über den Boden drehte.
Toufecs Mantel flatterte um ihn, dass er ihn beinahe vom Pferd riss, die Tücher, die er sich um den Kopf gewickelt hatte, peitschten ihn. Das Pferd scheute und tänzelte und bockte. Er konnte nicht erkennen, wo der Boden war, wo der Himmel, in welche Richtung sie sich bewegten. Der Gaul und er taumelten durch eine tiefrote Dunkelheit.
Der Sand umhüllte ihn, umfing ihn, fauchte, prasselte, tobte, rieb seine Haut wund, wo seine flatternde Kleidung sie entblößte, blies in seine Nase, seinen Mund, durchdrang das Tuch, das er sich vors Gesicht gebunden hatte, bis er nach Atem rang und hustete und Sand zwischen seinen Zähnen knirschte, scheuerte seine Augen, bis sie brannten, als habe jemand Salz hineingeschüttet.
Er konnte sich nicht länger im Sattel halten und ließ sich hinuntergleiten, krallte die eine Hand in die Mähne des Pferdes und hielt die Zügel in der anderen. Halb zog er das Pferd weiter, halb schleifte es ihn neben sich her.
Toufec brüllte Asins Namen gegen das Fauchen des Windes, gegen das Knattern des Donners, gegen das Prasseln des Windes. Er hörte seine Stimme nicht einmal selbst, sie wurde ihm von den Lippen gerissen und zerflatterte augenblicklich im Wüten des Sturms.
Das plötzliche Züngeln von Blitzen ließ die Röte um ihn herum aufleuchten, der Wüstenboden schien zu beben wie von Schlägen, der Donner rollte wie Felslawinen direkt über ihn hinweg. Er erinnerte sich, dass Eisen den Blitz anzog, und fummelte an seinem Schwertgürtel, um die Waffe und ihre kupferbeschlagene Scheide loszuwerden.
Das Pferd befreite sich aus seinem Griff, er hörte es wiehern, dann war es weg, als hätte der Sturm es fortgetragen.
Toufec fiel auf die Knie. Ohne das Pferd war er verloren!
Ein weiterer Blitzeinschlag schüttelte den Boden, und er spürte, wie die Panik ihn überschwemmte, während er sich aus
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