PR 2660 – Die springenden Sterne
Aufzeichnung. Tag 42 in der Pilotenschule
Ich ärgere mich über die Grenzen, an die ich immer wieder stoße. Als ich zum ersten Mal ein Raumschiff geflogen habe, glaubte ich, es gäbe für mich keinerlei Beschränkungen mehr.
Der ganze Weltraum stand mir offen. Ich konnte den Planeten verlassen, in fremde Sonnensysteme vorstoßen, Lichtjahre zurücklegen!
Alles schien wunderbar, und unendlich viele Überraschungen und Entdeckungen warteten im Kosmos auf mich. Zwar gab es die Fesseln der Schule und ihrer beschränkten Unterrichtseinheiten, doch ich wusste, dass ich diese in naher Zukunft würde abschütteln können. Mochte es in zwei Jahren sein oder etwas später – ich würde ein vollwertiger Pilot sein, dem das Universum offen stand.
Dachte ich.
Ich war ein Narr!
Es gibt sehr wohl Grenzen, und sie werden mir von Tag zu Tag, von Flug zu Flug deutlicher. Ich erkenne immer mehr, dass wir schwache, beschränkte, ja hilflose Wesen sind!
In zerbrechlichen Schiffen stoßen wir in die Galaxis vor, die ein feindlicher Ort ist. Hyperstürme, Viibad-Riffe, ein tobender Hyperraum ... viele Raumer gehen verloren. Der Kosmos ist stärker als wir, die wir in einzelnen, einsamen Schiffen sitzen, Produkten unserer Wissenschaft. Wir halten uns für klug, aber wir sind aus uns heraus nichts.
Sogar ich bin nichts ohne die Technologie, die mir das Reisen im All ermöglicht.
Diese Erkenntnis will mir nicht gefallen – alle anderen, ja ... sie sind schwach. Selbstverständlich. Narren. Toren, allesamt! Aber ich?
Es muss mir gelingen, mir nicht nur ein Raumschiff untertan zu machen, sondern die Natur selbst! Der Kosmos muss mir gehören!
Ich habe mit Sajon darüber gesprochen, gestern in der Nacht, vor dem Felsenabgrund am Rand der Schule, bei zwei Flaschen billigen Tussakweins. Das Zeug schmeckte scheußlich, und ich glaube, Sajon hat noch nicht einmal verstanden, was ich ihm eigentlich sagen will.
Es war enttäuschend.
Stattdessen hat er das Gespräch auf eine völlig andere Bahn gelenkt und mir Dinge erzählt, von denen ich gar nichts wissen will. Was geht es mich an, ob einer der Ausbilder Sajon zu sich gerufen hat? Ob die beiden im Dunkel eines Lehrraumes kopulierten oder nicht, spielt keine Rolle!
Viel wichtiger ist es, die Grenzen zu erkennen, die mich kleinhalten wollen. Nur dann kann ich dagegen ankämpfen. Vielleicht wäre es ein erster Schritt, nicht allein in die Weiten des Alls hinauszurasen, als verlorener, winziger Steuermann eines Mondsicheljägers. Sondern als Teil einer Flotte, die gemeinsam stärker sein kann!
Aber der Gedanke, mich auf andere Piloten verlassen zu müssen, gefällt mir nicht. Ich wäre nur einer von vielen, mein Schiff nur ein kleiner Teil der gesamten Flotte.
Wie kann ich etwa in den Krieg ziehen, wenn meine Schlagkraft von anderen, minderwertigen Wesen abhängig ist?
Gewiss, auf Sajon kann ich mich verlassen, trotz seiner Geschwätzigkeit, was die Begegnung mit dem Oraccameo betrifft. Aber er ist nur einer, und ich kenne niemanden wie ihn. Auch zu zweit stehen wir auf verlorenem Posten.
Mir erscheint alles sinnlos.
Wieder sitze ich am Rand des Felsenabgrunds; wieder trinke ich billigen Tussakwein. Aber diesmal bin ich allein.
Ich stoße die Flasche an, sie kippt über die Kante und zerschellt Dutzende Meter tiefer.
Vielleicht sollte ich hinterherspringen.
Was wäre es schon für ein Unterschied für den Lauf des Universums? Alles wird weiterhin seinen Gang nehmen, ob mit mir oder ohne mich.
*
Als Ramoz im Mondsicheljäger vom Boden abhob, nahm er die zweite Einheit mit sich.
Ein stechender Schmerz ging von der Wurzel des Augendorns aus. Es fühlte sich an, als würde sich ein winziger glühender Docht, nur wenige Atome dick, vom Auge her bis in sein Gehirn winden.
Ohne genau zu verstehen, wie er es tat, nahm Ramoz das zweite Schiff in Synchronsteuerung. Er sandte Hyperimpulse, die von der Positronik des anderen Jägers empfangen und zur Steuerung verwendet wurden.
Es kostete eine Menge Konzentration, zwei Steuereinheiten gleichzeitig zu befehligen, aber es gelang Ramoz geradezu spielerisch.
Doch als er sich – schon jenseits der Bahn des Mondtrabanten – kurz von dem Gedanken an Sajon ablenken ließ, schmierte der zweite Jäger ab. Die Einheit trudelte zurück zum Mond, raste unkontrolliert auf die zerklüftete Oberfläche außerhalb der Stadt-Habitate zu.
Ramoz dachte plötzlich auf zwei Ebenen, als könne er auf zwei Gehirne zugreifen. Er sah
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