PR 2663 – Der Anker-Planet
Gucky prallte auf die ausgestreckten Arme, riss sie nach unten. Rhodan wäre fast selbst mit ihm gestürzt.
Für einen Augenblick standen die beiden Freunde still da. Der Multimutant atmete schwer.
Der Terraner setzte ihn ab. »Was war mit dir?«
»Ich hatte ... Kontakt.« Der Blick des Mausbibers wanderte in die Höhe, fing sich an der Decke. »Warum ich dort oben war, weiß ich nicht.«
»Telekinese«, sagte Nemo Partijan mit der nüchternen Stimme eines eher weltfremden Wissenschaftlers, der vor seinen Studenten dozierte. »Du warst mental weggetreten. Deine Parakräfte haben sich verselbstständigt und dich gewissermaßen in Sicherheit gebracht.«
»Schöne Sicherheit«, piepste Gucky.
»Du bist wie ein Tier in eine einsame Ecke geflüchtet, wenn du so willst – nur auf einer unbewussten Ebene.«
Der Mausbiber winkte ab. »Mir geht es wieder gut. Ich weiß nun zwei Dinge. Erstens – wir haben QIN SHIS Anker tatsächlich gefunden. Zweitens – dieser Anker will, dass wir ihn zerstören.«
»Was?«, entfuhr es Mondra Diamond. »Wie kommst du darauf?«
Gucky sah aus, als genieße er die Verblüffung, die seine Äußerung hervorgerufen hatte. »Shikaqin, der Planet im Zentrum dieser Anomalie, lebt. Zumindest scheint es so zu sein. Die Wahrheit ist jedoch eine andere.«
Alle warteten auf seine nächsten Worte. Rhodan bemerkte, dass ihn ein Haar aus Guckys Fell an der Nase kitzelte. Es musste dort gelandet sein, als er den Kleinen aufgefangen hatte.
»Der Planet lebt nicht ... oder nicht nur. Er ist auch nicht tot. Er ist gefangen im Augenblick des Todes der Millionen Seelenfetzen, die ihn bevölkern oder ihn bilden. Es sind Opfer der Weltengeißel.«
»Und damit ein Teil von QIN SHI«, sagte Rhodan, von Grauen gepackt. Die Lebensenergie, die die mondgroße Weltengeißel in sich hineinsaugte, wenn sie ihr tödliches Werk über einer bewohnten Welt verrichtete, wurde der Superintelligenz zugeführt – das wusste er. Wie genau dieser Prozess funktionierte, war bisher unbekannt geblieben.
Was Gucky nun offenbarte, änderte viel. QIN SHI hatte einen Teil seiner Opfer – und damit einen Teil seines Selbst – zurückgelassen. So entstand der Anker. Dass diese Opfer mit dem Teil ihres eigenen Willens, der ihnen geblieben war, litten und im Augenblick ihres Todes festhingen, war makaber.
Doch Mitleid änderte nichts an dem grauenhaften Ergebnis. Wenn Rhodan helfen wollte, dann durch Taten.
»Ich bin froh«, sagte Gucky, »dass wir unser Missionsziel geändert haben. Wir zerstören den Anker. Jetzt!«
Nemo Partijan hielt den Würfel noch immer in der Hand. Er hob ihn und klappte ihn auf.
*
Protektor Kaowen hielt es nur mit Mühe auf seinem Kommandantenplatz. Am liebsten wäre er unruhig von Station zu Station in der Zentrale seiner RADONJU gegangen und hätte dabei seine Offiziere angeschrien.
Doch das würde nichts ändern.
Etwas lag in der Luft.
Er fühlte es.
Mehr noch, er wusste es. Die Orter der RADONJU durchsuchten ständig den Raum der Anomalie, doch sie entdeckten nichts. Aber die rundum geschlossene Strukturriss-Hülle war kurzzeitig aufgebrochen gewesen, und etwas war hereingekommen.
Jemand.
Kaowen fühlte es mit dem Instinkt des alten Soldaten, der in tausend und mehr Schlachten gestählt worden war. Auch die Präsenz flüsterte es ihm zu, der Hauch von QIN SHI, der den Planeten belebte.
Inzwischen verstand Kaowen alles viel besser. Er kalibrierte die Sensoren neu, sodass sie eine andere Art von Messergebnissen lieferten. Sie durchdrangen die quasiorganische Oberfläche und durchmaßen die Tiefen der Welt Shikaqin.
Dort gab es riesige Hohlräume, in denen gigantische Aggregatekomplexe lagerten. Sie fingen den Teil der mentalen Substanz ab, die QIN SHI abgab, um den Anker zu stabilisieren. Von dort aus verschmolz die psionische Lebensenergie der Bewusstseinsfetzen mit dem Planeten.
An den Polen sowie entlang des Äquators erhoben sich als wahre Kristallberge große Ansammlungen von hochwertigen Chanda-Kristallen. Fast sah es aus, als wären dort insgesamt fünfzig Kristallkugeln von 18 Kilometern Durchmesser zur Hälfte im Boden versenkt.
Die Substanz der Oberfläche formte weiterhin riesige Oraccameo-Gesichter, die entstanden und vergingen. Es gelang ihnen nie, dauerhaft Gestalt anzunehmen. Ihr Leben war zu sehr Schein, zu flüchtig, um zu bestehen.
Der Protektor wusste, dass er nicht der Einzige war, der in die Geheimnisse des Planeten eindrang. Noch jemand hielt sich in der
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