PR 2672 – Kosmische Agonie
Linearraum, Hyperfunk. Quartiere waren improvisiert worden, Ortungsergebnisse wurden weitergeleitet.
Mehrere Schiffe flogen jeweils im Synchronflug. Alle orientierten sich an der ZHENG HE.
Und die ZHENG HE folgte den Navigationsimpulsen eines Utrofaren.
»Wer hätte gedacht, dass wir so etwas jemals erleben würden?«, flüsterte Vashari Ollaron.
Mossi drückte ihr die Hand. »Niemand. Aber wie so oft hat ein Zusammenspiel aus Notwendigkeit und Gelegenheit Dinge möglich gemacht, die niemand erwartet hätte.«
Sie sah mit dem unverletzten Auge zu ihm auf. Das andere war gemeinsam mit der linken Gesichtshälfte unter einem Biomolplastverband verborgen.
»Wohin führt uns der Utrofare?« Sie sprach so leise, dass Mossi sie kaum verstehen konnte.
Zumindest war sie wach und geistig klar. Es war ein gutes Zeichen, laut der Ärzte. Die Kopfverletzung hätte auch Hirnschäden bedeuten können.
»Er nennt es ›Gestüm‹. Eine ruhige Raumzone, die nach seinen Erfahrungen selbst unter den momentanen Bedingungen relativ stabil bleibt. Warum, weiß der Utrofare nicht. Wir werden es sehen und untersuchen, wenn wir vor Ort sind.«
»Sein Wissen ist eher vage«, stellte Ollaron fest.
Mossi zuckte die Achseln. »Es ist alles, was wir haben. Wenn er sich irrt, stehen wir auch nicht schlechter da als vorher. Sicher ist, dass unter seiner Leitung weniger Störeffekte auftreten als vorher.«
»Ist er nicht in die gleiche Gravo-Stauchwelle geraten wie wir?«
»Nein. Er kam hinterher. Unsertwegen. Wir hatten seine Aufmerksamkeit erregt, und er hoffte, Hinweise auf seine Suche zu finden oder sonst etwas Brauchbares.«
»Das hat er ja wohl. Hoffen wir, dass es am Ende zum beiderseitigen Vorteil ist, damit dieser Ausbruch wenigstens irgendeinen Sinn erhält.«
Sie schloss die Augen. Das kurze Gespräch hatte sie sichtlich erschöpft. Nicht besser machten es sicher die Selbstvorwürfe, die Mossi in ihrem Gesicht und zwischen ihren Worten zu erkennen glaubte. Wie hoch die tatsächlichen Verluste waren, hatte er ihr nicht mitgeteilt, doch sie wäre eine schlechte Kommandantin, könnte sie nicht zwischen den Zeilen des Gesagten lesen.
Doktor Akohin trat ein und überprüfte die Anzeigen der verschiedenen Geräte, die in die Liege eingearbeitet waren. Sein blasses, von tiefen Falten durchzogenes Gesicht war ernst.
»Die Kommandantin braucht Ruhe«, teilte er Mossi mit. »Ich gebe dir Bescheid, wenn sie wieder zur Verfügung steht.«
»Danke!« Nach einem letzten Druck ließ Mossi Ollarons Hand los und stand auf.
Er selbst hatte gerade eine dringend benötigte Ruhepause hinter sich. Das Wissen, dass sich um ihn herum ein Kosmos in Agonie wand, ließ ihn allerdings kaum entspannen. Er würde vermutlich erst wieder ruhig schlafen können, wenn sie diese pazifische Zone erreicht hatten, die Fernvaters Augerbe ihnen versprochen hatte.
Es war nur zu hoffen, dass der Utrofare sein Versprechen auch halten konnte.
In der Zentrale – auch wenn es noch immer die Behelfszentrale war, hatte sich die Bezeichnung inzwischen eingebürgert – herrschte Ruhe. Jeder saß schweigend an seiner Station und verfolgte, was vorging. Der Einzige, der dabei ein sorgenvolles Gesicht machte, war Yaro.
Mossi trat hinter den Orter. »Wie sieht es aus?«
»Beschissen«, antwortete der »Lauscher« geradeheraus. »Es ist ein reines Wunder, dass sich das Universum nicht um uns zusammengefaltet und uns verschluckt hat, während wir repariert haben. Egal in welche Richtung ich orte: Ich bekomme spätestens aus einer Entfernung von ein oder zwei Lichtjahren nur Instabilitäten herein. Als würde da jemand willkürlich am vierdimensionalen Raum zerren. Und überall, wo Risse entstehen, sickern Energien aus dem Hyperraum durch.«
Wie Blut aus Wunden, dachte Mossi. Wunden, die der Raum selbst sich reißt, während er sich im Todeskampf windet.
»Wir werden sterben, nicht wahr?«, wisperte Yaro.
Der Kommandant schüttelte den Kopf. »Bislang besteht keine Veranlassung, das zu glauben. Fernvaters Augerbe führt uns gut, wie mir scheint.«
»Ja. Aber es fällt selbst ihm schwer, einigermaßen ruhige Wege zu finden. Rede mit Fochler, er wird es dir bestätigen.«
Mossi legte die linke Hand auf die Schulter des Ortungsoffiziers. Der Ring am kleinen Finger blitzte auf. »Solange wir leben, können wir hoffen. Und bisher leben wir.«
»Immerhin sterben wir nicht allein, falls wir es tun«, stellte Yaro lakonisch fest. »Ein ganzes Universum geht mit uns. Wer
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