PR 2673 – Das 106. Stockwerk
ist nur nicht bekannt, ob die Anlage bewacht wird.«
»Roboter?«
»Falls Gucky da sein sollte, wird er uns ohnehin espern, in dem Fall sind Roboter überflüssig.«
Ve lachte.
»Ich möchte den Sonnenuntergang sehen!«, sagte sie unvermittelt. »Nicht hier, wo halb Terrania City die Sonne verdeckt, sondern draußen, beim Ernst-Ellert-Mausoleum. Oder, noch besser, von Garbus aus.«
»Das sind gut hundert Kilometer.«
»Ein Problem?«
Das war es natürlich nicht. Ein Schnellgleiter überwand die Entfernung in nicht einmal acht Minuten. Dafür galt es allerdings zu bezahlen. Die öffentlichen Verkehrsmittel standen in Terrania zwar unentgeltlich zur Verfügung, aber nur die Basisversionen. Wer besondere Leistungen verlangte, hatte dafür zu zahlen. Burnett beglich den Fahrpreis über den in seinen Handrücken implantierten Kontochip.
Garbus war neben Atlan Village das zweite Philosophen- und Künstlerviertel von Terrania, ein kleiner, eleganter Stadtteil nördlich des Mausoleums, errichtet auf dem Dust Hill. Die Sonne berührte eben erst den Horizont, aber sie sank schnell.
Burnett wollte Ve Kekolor zum Abendessen einladen, doch sie kam ihm zuvor. Gerade als er dazu ansetzen wollte, zog sie ihn mit sich.
Es war wie Magie. Vielleicht auch nur, weil Burnett sich immer stärker zu ihr hingezogen fühlte. Sie waren einander ähnlich, das spürte er. Im Nachhinein fragte er sich später, wie oft ihm etwas durch den Sinn gegangen war und Ve genau das kurz darauf angesprochen hatte.
»Es war ein schöner Tag«, sagte sie, nachdem sie in der Holokarte Speisen und Getränke gewählt hatten. »Danke, Flemming!«
»Der Tag ist noch nicht zu Ende. Wir könnten ...«
Ein Robottablett schwebte heran und drängte sich zwischen sie, es bildete mehrere Tentakelarme aus und servierte.
»Dein Menü enthält wirksame Aphrodisiaka«, sagte das Tablett. »Das stand zwar in der Karte vermerkt, wir weisen aber dennoch darauf hin.«
Burnett zuckte zusammen und fühlte sich ertappt. Dann erst registrierte er, dass das Tablett ihn lediglich über ein gerichtetes Akustikfeld angesprochen hatte, Ve war also nicht darauf aufmerksam geworden. Es wäre ihm peinlich gewesen, so mit der Tür ins Haus zu fallen.
Ve Kekolor lächelte ihm zu.
Das Essen schmeckte vorzüglich. Burnett hatte noch überlegt, ob original terranische Küche für Ve das Richtige sein würde, und sie hatte ihn tatsächlich zu diesem Lokal gezogen.
»Du wirkst mit einem Mal nachdenklich«, sagte sie. »Stimmt etwas nicht?«
»Ich frage mich, wann wir diesen Tag fortsetzen können. Morgen stehen für mich wichtige Gesprächstermine an ...«
»Ich weiß – Fydor hat etwas in der Richtung angedeutet.«
»Übermorgen Abend?«
Ve nickte.
»Was möchtest du sehen?«
»Terrania ist groß, ich überlasse es dir.«
Burnett dachte an eine Fahrt mit dem Antigravfloß auf dem Edsengol, vor mehreren Wochen hatte ihn eine entsprechende Holowerbung auf Schritt und Tritt verfolgt. Und an Sehenswürdigkeiten gab es ohnehin sehr viel, das sie noch nicht besucht hatten, angefangen von der Waringer-Akademie mit dem Rainbow Dome über den Kybernetischen Turm und das Stadion der Sterne bis hin zum STARDUST-Denkmal im Gobi-Park.
»Ich habe viel über die Waringer-Akademie gehört und gelesen«, sagte Ve. »Was hältst du davon?«
»Ich wollte gerade daran denken.« Burnett schüttelte den Kopf. »Das ist Unsinn, eigentlich hatte ich schon daran gedacht.«
»Wir sind uns demnach einig, ohne viele Worte? Ich muss es mir nicht einmal besonders wünschen.«
»Nein, natürlich nicht.« Burnett neigte sich ein wenig nach vorn, stützte das Kinn auf beiden Daumen ab und blickte Ve Kekolor nachdenklich an. »Allerdings wüsste ich jetzt eines gerne.«
»Und das wäre?« Ve erwiderte seinen nachdenklichen Blick.
»Ich frage mich, was du dir am meisten wünschst.«
Die junge Frau brauchte nicht zu überlegen.
»Leben«, antwortete sie spontan.
»Das ist wenig«, sagte Burnett verhalten. Er hätte in dem Moment nicht zu sagen vermocht, welche Antwort er erwartet hatte, aber genau das wohl nicht. Wer geboren wurde, lebte, bekam sein Leben quasi geschenkt. Was er daraus machte, stand auf einem anderen Blatt. Jeder, wie er wollte. Die einen wucherten damit, andere gingen eher geringschätzig damit um, und manch einer warf es achtlos weg.
»Wenig?«
Ves Stimme schreckte ihn aus seiner Überlegung auf.
»Leben ist die Basis von allem, was wir sind, was wir haben, was wir sein
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