PR 2680 – Aufbruch der Unharmonischen
hatten Lirbal Probleme. Sie büßten einen Teil ihres dreidimensionalen Sehens ein.
Die Oberfläche des Mondes wirkte mal flach, mal überhöht. Da waren Bewegungen, die nicht existierten, sondern allein durch den plötzlichen Wechsel von Licht und Schatten sowie perspektivische Verzerrungen entstanden.
Wenigstens blieb ein Merkmal der Oberfläche gleich: Aufgrund ihrer Größe hockte die Kröte nahezu unverändert im Staub. Sie hatte ein paar Beine zu viel – starre Röhren unter dem wuchtigen Leib. Ein paar Beulen entpuppten sich als durchsichtige Kuppeln, inzwischen vom Staub befreit und geputzt. Darüber ragte über dem plumpen Körper der kantige Kopf auf, der sich mit der aufsteigenden Sonne immer mehr auf den Rücken des Körpers verschob. Schließlich blieb er in zentraler Position stecken.
Frisch poliert machte der Palast einen völlig anderen Eindruck. Er ähnelte nun einer überdimensionalen Blüte, deren Blätter sich unter dem Kelch nach außen streckten und leicht nach oben gewölbt waren. Darüber ragte der Blütenkelch auf, ein gewölbter Rumpf mit mehreren ringförmigen Plattformen. Oben auf der geschlossenen Blüte saß eine stachelbewehrte Kugel. Darüber spannte sich ein Gerüst aus Metallstreben.
»Wir schaffen das nicht«, hörte Draupadi die Spiegelmaske sagen. »Wir sehen bereits die Reflexe der Nadeln.«
»Achtet auf den Countdown!«, schärfte er Kons ein. »Ein paar Lil vorher sollte die letzte Schleuse geschlossen sein.«
Viel Zeit für Kommunikation blieb nicht. Der Palast bewegte sich scheinbar immer schneller auf sie zu. Der Wandbildschirm zeigte ein Strukturraster mit markierten Schwachstellen, an denen das Gebilde bei zu hoher Belastung auseinanderbrechen konnte.
Einen zerbrochenen Palast durften sie nicht an Ort und Stelle lassen. Sie mussten ihn zerstören – selbst auf die Gefahr hin, dass sie alle Daten verloren, die sie jemals gesammelt hatten.
Wäre ich ein Harmonischer, würde ich jetzt TANEDRAR um Beistand anflehen, dachte Draupadi. Aber wen soll ich als Unharmonischer anflehen? – Auch TANEDRAR!, gab er sich die Antwort. Die Superintelligenz ist für alle Völker und Lebewesen Escalians verantwortlich, also auch für die Unharmonischen.
Dennoch sträubte sich alles in ihm, so etwas zu tun. Da hätte er gleich vor dem Kanzler oder einem der Herzöge zu Boden fallen können.
»Der Kontakt erfolgt in wenigen Augenblicken«, teilte der Automat mit.
»Die Projektoren auf höchste Empfindlichkeit einstellen!«, sagte Draupadi hastig.
Große Feinjustierungen konnten sie auf die Entfernung sowieso nicht vornehmen. Die stärkste Belastung kam auf die Nadeln dicht über dem Mond. Die etwas weiter entfernten Habitate konnten mit ihren Zugstrahlen lediglich verstärkend auf das energetische Feld einwirken.
Unten im Krater glühte übergangslos der Staub. Der Verwaltungspalast zündete einen Teil der Haupttriebwerke. Auf dem Wandschirm schalteten die farbigen Darstellungen in den Aktivmodus. Die Linien leuchteten grell auf.
Unsichtbare Kräfte zerrten am Palast, der gleichzeitig den Schub erhöhte. Die überdimensionale Blume aus Metall und Kunststoff hob sich aus dem Staub des Kraters und schwebte. Die Blüte mit der Kugel zitterte, das Gebilde schwankte wie bei starkem Seegang.
Draupadi öffnete den Mund zu einem Schrei. Eines der Blätter berührte den Kraterboden. Wenn es sich eingrub ...
Zum Glück funktionierte die Schubregelung der Triebwerke ohne Verzögerung. Der Palast richtete sich auf.
»Zugstrahlsystem auf Volllast und stabil«, sagte der Automat.
Die Flotte aus Nadeln zog über den Mond hinweg. Der Palast folgte erst langsam, dann immer schneller. Als seine Triebwerke abschalteten, wusste Draupadi, dass sie es geschafft hatten. Der Konvoi war vollständig. Der Schub beim Start hatte den Staub im Krater verwirbelt und das verräterische Loch zugeschüttet.
Celaro Kons meldete sich. »Alle Systeme des Palastes arbeiten einwandfrei. Die Reise kann losgehen. Hast du ein bestimmtes Ziel vor Augen?«
Merveres Draupadi verneinte. Die Umsiedlung stand erst am Anfang. Es bedurfte großer Umsicht, ein geeignetes Sonnensystem zu finden und unbemerkt auf einem der Planeten unterzuschlüpfen. Unbewohnte Systeme waren dabei nicht optimal. In bewohnten Systemen fielen die Emissionen von Raumfahrzeugen weit weniger auf.
Wie immer galt es, bei einem solchen Exodus die Existenz der Flotte zu verschleiern.
Nach ein paar Tausend Lichtjahren Flug suchte sich Draupadi
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