PR 2680 – Aufbruch der Unharmonischen
hereinbrechen.
Die Herzogin nahm sich vor, sich wieder vermehrt um die ethische Entwicklung ihres Erstgeborenen zu kümmern. Sie musste es einfach schaffen, Farok einen anderen Weg als den Kampf aufzuzeigen.
Der frisch zeremonierte Ehemann Martan Mitioni kam mit tänzelnden Schritten auf Arjyana zu. »Darf ich dich um einen Tanz bitten, Mutter?«, fragte er.
Die Anrede war eindeutig scherzhaft gemeint, zumal der genossene Alkohol dem jungen Mitioni die Zunge gelöst hatte. Arjyana Trazyn verzog dennoch ihr Gesicht hinter der Maske. Schon bald würde ihr der Offizier im Rahmen eines Jyrescaboro-Lage-Rapports wieder begegnen. Zuvor würde sie ihn auf die Seite nehmen und ihm klarmachen, wie wenig sie davon hielt, wenn er sie als »Mutter« ansprach.
Solange die Hochzeitsfeierlichkeiten anhielten, würde sie aber gute Miene zum bösen Spiel machen. Sie wollte sich später nicht dem Vorwurf ihrer Tochter ausgesetzt sehen, wenn sie die Harmonie des Anlasses störte.
Ärger stieg in ihr auf, als sie die Doppeldeutigkeit ihres Gedankens bemerkte. Sie holte tief Luft, ergriff seine ausgestreckte Hand und erhob sich.
»Es ist mir eine Ehre, Martan!«, brachte sie ohne Sarkasmus in der Stimme heraus.
Der junge Offizier führte sie auf die Mitte des Tanzfeldes. Er ergriff ihre linke Hand und legte seine Linke auf ihre Hüfte. Irgendetwas schrie in ihr auf. Im ersten Augenblick meinte sie, das Gedankenecho von Syrr-Flechten zu spüren.
Aber es war etwas anderes. Etwas ganz anderes.
Die Türen zum Ballsaal flogen auf, und schwarz gewandete Gestalten stürmten herein. Bevor jemand reagieren konnte, lösten sich sonnenhelle Strahlen aus ihren ausgestreckten Armen.
Strahlengewehre!
Alarmsirenen erklangen. Schreie, das Fauchen von Entladungen.
Nach einem Schockmoment kam Bewegung in die Festgesellschaft. Alles spritzte auseinander, suchte einen Fluchtweg, aber die Eindringlinge hatten ihre Positionen klug gewählt und den Weg durch die Haupttüren versperrt.
Die Flucht geriet beinahe augenblicklich zum chaotischen Bestreben, irgendwie den Waffenmündungen zu entkommen. In immer schnellerer Folge blitzten die Strahlenlanzen auf, stanzten entweder faustgroße Löcher in die gut gekleideten Körper oder ließen sie in Flammen aufgehen.
Nach fünf Sekunden war der Tumult perfekt. Schreie, Rauch und Blut vermischten sich zu einer Kakofonie des Grauens.
Inmitten all dieses Chaos stand die Herzogin, die nach wie vor ihren jungen Tanzpartner festhielt.
»Was ... was geschieht?«, kam es fast unverständlich leise unter seiner Maske hervor.
Bevor die Herzogin etwas sagen konnte, sirrte plötzlich etwas unsagbar Helles und Heißes am Kopf der Herzogin vorbei. Einen Sekundenbruchteil lang sah sie danach nur einen schwarzen Blitz vor sich. Dann spürte sie, wie der Körper in ihren Armen in sich zusammensackte.
Mit weit aufgerissenen Augen sah sie das riesige Loch in der Stirnpartie von Martans Maske. Der Kunststoff am Rand des Lochs warf Blasen, vermischte sich mit kochendem Blut.
Endlich fiel die Starre von Arjyana ab. Sie ließ die Leiche des jungen Mitioni los und rannte in die Richtung, in der sie ihre Tochter zuletzt gesehen hatte.
Etwas krachte in ihren Bauch, ließ sie kurz taumeln. Heißer Schmerz durchzuckte ihren Körper. Sie ignorierte ihn, blickte hastig auf die Kleider und Masken der mit verrenkten Gliedern am Boden liegenden Toten.
Der Rauch und der ekelhafte Gestank ließen sie würgen. Sie musste Svara finden, und wenn es das Letzte war, was sie ...
Erneut traf sie ein Schlag, diesmal am linken Bein. Sie versuchte das Gleichgewicht zu halten, krachte nach zwei Schritten zu Boden.
»Svara!«, schrie sie, außer sich vor Angst.
Sie hatte das Kleid entdeckt, in dem ihre Tochter vor einer Stunde geheiratet hatte. Es lag als blutgetränktes Bündel am Boden.
Schluchzend und schreiend robbte sie vorwärts, kletterte über Tote und Verletzte. Irgendwann erstarb das furchtbare Geräusch abgefeuerter Strahlengewehre. Sie hörte die Sohlen von schweren Stiefeln auf dem Marmorboden, dann trat gespenstische Stille ein.
Bevor Arjyana Trazyn die Leiche ihrer Tochter erreichte, wurde es schwarz um sie.
*
Arjyana öffnete die Augen.
Durch die Augenschlitze sah sie die Maske ihres Sohnes Farok. Sein langes schwarzes Haar fiel in wirren Strähnen darüber.
»Du lebst, Mutter!«, sagte er. Seine Stimme klang verzerrt vor Hass und Zorn.
Die Erinnerungen kehrten zurück.
Gepeinigt schrie die Herzogin auf,
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