PR 2680 – Aufbruch der Unharmonischen
»Gleich wird es vorbei sein.«
Sie lauschten auf die Durchsagen der Automaten. Es ging nicht vorbei, es blieb. Überall veränderten sich die Stimmen der Jyrescao, und mit den Stimmen änderten sich auch die Ansichten.
»Wir können nicht einmal fliehen«, hörte Carmydea Pronk sagen. »Es wird uns überall begleiten, an jeder Wand, auf jedem Bildschirm, einfach überall.«
»Doch, wir hätten eine Chance«, antwortete sie. »Wir müssten Escalian verlassen und in eine Galaxis fliegen, die frei von diesem Einfluss ist.«
Carmydea Yukk warf einen Blick in den Spiegel. Da war tatsächlich kein Gesicht zu sehen, aber nach ein paar Lil merkte sie, dass sich die aufgedampfte Schicht des Spiegels zersetzte und die Konturen ihres Gesichts zeigte.
Carmydea wollte den Blick abwenden, aber es ging nicht. Sie wollte die Augen schließen, ihr Gehirn befolgte den Befehl nicht.
»Pronk, hilf mir!«
Es war ein Fehler, ihn abzulenken. Sie sah, wie er den Kopf hob und erstarrte.
Carmydeas Gesicht war jetzt klar und deutlich zu sehen. Es grinste sie an, dann verzerrte es sich in unbändigem Hass.
Etwas in ihr zerbrach.
Für einen Augenblick glaubte sie, eine Fremde zu sehen. Dann verwischte sich der Eindruck wieder. Ihr wurde klar, dass die Unharmonischen schon die ganze Zeit einem anderen Herrn gedient hatten. Und der hatte sie soeben gerufen. Niemand auf der Wachtwelt und in den Schiffen konnte das Gesicht jetzt noch vor sich verbergen.
»Draupadi!«, ächzte Carmydea. »Es sind die Escaloor und Esca-Jyrlant! Sie waren von Anfang an manipuliert.«
Wer sie einmal benutzte, hing am Haken. Sholoubwa war von QIN SHI beauftragt worden, die Geräte zu bauen.
Alle Unharmonischen unterstanden jetzt dem Einfluss von QIN SHI.
»Die Funkanlage«, zischte Pronk. »Wir müssen die Galaxis informieren.«
»Wozu? Keiner darf es erfahren.« Im Zeitlupentempo sank Carmydea Yukk auf die Knie. Ihr war endgültig klar, für wen sie in Zukunft arbeiten würde.
Als sie sich erhob, führten sie ihre ersten Schritte zur Konsole.
»Carmydea Yukk an alle Einheiten!«, sagte sie. »Die Jyrescao gehen an die Öffentlichkeit. Wir schlagen zu. QIN SHI braucht uns. Carmydea Yukk an alle Einheiten. Ich ordne die sofortige Mobilmachung an ...«
14.
Aus dem Ahnenbuch der Familie Trazyn:
Letzter Eintrag
Auf der Welt, die lange den stolzen Namen Jyrescabat getragen hatte, wurde ein Junge geboren. Man gab ihm den Namen Pronk.
Pronk Trazyn.
ENDE
TANEDRARS paranoide Furcht vor allen, die nicht zur Harmonie gehören, scheint nicht auf Hirngespinsten zu beruhen. Der Herr der Gesichter greift nach Escalian und stürzt die vier Galaxien in einen Krieg, wie es ihn noch nicht gegeben hat.
Leo Lukas beschreibt den weiteren Gang der Ereignisse in Escalian im Roman der kommenden Woche, der als Band 2681 unter folgendem Titel im Zeitschriftenhandel bereitliegen wird:
WELT AUS HASS
Der Herr der Gesichter (I)
Nachdem im Jahr 297.388 vor Christus beim Zugriffsversuch von VATROX-VAMU auf das PARALOX-ARSENAL diverse Polyport-Stationen aus ihrem Versteck in der übergeordneten Existenzebene des natürlichen Psionischen Netzes ins Standarduniversum zurückfielen, arbeiteten die Oraccameo etliche Jahrhunderte an der Umsetzung ihres großen Plans der Unsterblichkeit.
Der an diesem Projekt beteiligte Maran Dana Fogga stellte sich jedoch als Feind heraus, als Agent der Sporenzivilisation und ihres robotischen Hegers. Es gelang ihm, die Oraccameo und vier andere Völker mehr oder weniger komplett durch Lebenskraft-Kollektoren zu entleiben und zu größeren Bewusstseinsinhalten zusammenzuschließen. QIN SHI, der Herr der Gesichter, war eine dieser Essenzen aus Milliarden von Lebewesen, während sich die anderen vier aus purer Angst und Panik der großen Vereinigung entzogen und in wilder Hast flohen. Die vier verschwanden aus QIN SHIS Sichtfeld – erst sehr viel später wurde ihre Spur wiedergefunden.
Weil sich das Gefühl der Sättigung rasch verlor, wurde QIN SHI bewusst, dass er weiter fressen musste, wollte er bei Kräften bleiben. Selbst die Aufnahme des Lebens eines ganzen Planeten half wenig, weil sich der Effekt schneller verflüchtigte, als QIN SHI einen neuen Planeten finden und sich an ihm laben konnte. Als einzige Alternative blieb ihm der Schlaf. Eine schlechte Alternative, da sie das Problem nur hinauszögerte, statt dass sie es löste. Hilfe brachte die Unterwerfung des jungen, aufstrebenden Volks der Xylthen.
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