PR 2692 – Winters Ende
übersetzen, damit ihr es anwenden könnt.«
»Zu welchem Zweck?«, fragte Bully rasch, sehr froh über die Ablenkung.
»Es handelt sich um einen Vorschlag, in welcher Reihenfolge die Kunstsonnen nach der Wiederzündung Sols am besten abgeschaltet werden sollten, um negative Auswirkungen auf die diversen Ökosphären möglichst gering zu halten. Bis eure Sonne wieder in alter Kraft und Stärke leuchtet.«
Weiterhin waren für Venus, Mars und Erde samt Luna Hunderte Kunstsonnen aktiviert. Zahlreiche Schiffe der diversen LFT-Flotten unterstützten sie.
Bei Terra kontrollierte der fliegende Stützpunkt PRAETORIA den Kunstsonnenpulk. Er war am Lagrangepunkt L1 circa eineinhalb Millionen Kilometer von der Erde entfernt stationiert. Die Strahlung ersetzte partiell jene der Sonne und lieferte für die Tagseite Terras Licht und Wärme.
»Ausgerechnet die Spenta befassen sich mit den trivialen Bedürfnissen niederer Lebewesen wie unsereins? Auf einmal?«, sagte Bully verdutzt.
»Ich gebe bloß weiter, was mir Chourwayrs ausrichtet. Gestehe allerdings, ebenfalls überrascht zu sein.«
»Es geschehen Zeichen und Wunder.« Bully klatschte in die Hände. »Wir werden das natürlich nach Strich und Faden überprüfen, ehe wir uns danach richten.«
»Du bist immer noch argwöhnisch, Resident?«
»Ich bin, nach weit über dreitausend Jahren, immer noch am Leben, geschätzte Shanda. Beantwortet das deine Frage?«
4.
Die Verschwörer
Die Wohnung hoch oben in dem Daakmoy genannten Wolkenkratzer war sehr geräumig, jedoch steril und kahl. Allerdings nur, bis Yugen Estmon-Winter das Terminal im größten, gähnend leeren Zimmer aktiviert und herausgefunden hatte, dass sich die Einrichtung individuell gestalten ließ.
Hunderte Suiten terranischer Luxushotels waren als Vorlagen gespeichert; dazu mindestens ebenso viele historische Privatresidenzen, von traditionell altjapanischer Schlichtheit bis pseudobarock schwülstig. Aus Jux gab Yugen »Graceland« ein. Fast hätte es ihn auf den Hintern gesetzt, als er prompt fündig wurde.
Konnte das Zufall sein? Oder hatte die Psycho-Maschinerie der TOLBA Informationen über seine Elvis-Vision nach Saypor weitergeleitet?
Andererseits gehörte das Graceland-Anwesen gewiss zu den berühmtesten Privatwohnsitzen der Menschheitsgeschichte. Neben den kaiserlichen Gemächern der Verbotenen Stadt von Beijing, Atlans Tiefseekuppel und Anson Argyris' Hort auf Olymp – die allesamt ebenfalls verfügbar waren, zumindest in Segmenten. Dass die Sayporaner lange vor der Entführung des Solsystems ausgiebig auf Terra recherchiert hatten, wusste Yugen.
Wieder einmal fiel ihm auf: Sie kennen uns wesentlich besser als wir sie ...
Er überließ es Rabienne und Aria, die provisorische Unterkunft auszugestalten. Die Achtjährige probierte zahlreiche Kombinationen durch und ergötzte sich daran, wie in der ganzen Wohnung binnen weniger Sekunden Mobiliar und Dekoration wie von Zauberhand wechselten. Yugen gönnte ihr den Spaß von Herzen.
Soweit er beurteilen konnte, kamen technische Mittel zum Einsatz, über die auch die Terraner verfügten, von mikrominiaturisierter Kybernetik bis zu holografischen und semimateriellen Projektionen. Allerdings glaubte er, auch Elemente von Nanotechnologie und formenergetischen Anwendungen zu erkennen.
Nachdem Aria sich endlich mit einem wilden Stilmix aus Klassizismus, Neo-Levantinisch und Huhany'Tussan zufrieden gezeigt hatte, aßen die Estmon-Winters zu Abend. Obwohl die Servoküche, was die Reichhaltigkeit des Angebots betraf, dem Innenarchitektur-System in nichts nachstand, beschränkten sie sich auf ein paar Baguettes mit pflanzlichen Aufstrichen. Niemand hatte viel Appetit.
Dann brachten Yugen und Rabienne die Kleine zu Bett.
»Bleibst du bei mir, Mama?«, bat sie, kindlicher, als sie sich sonst meistens gab. »Wir haben ja wohl nicht mehr viele gemeinsame Nächte.«
»Wie ... kommst du darauf?«
»Ich bin kein Baby mehr, und ich höre gut. Ich weiß, dass du weggehen wirst, zusammen mit Irmayi und vielen, vielen fremden Leuten. Aber bleibst du heute Nacht bei mir?«
Yugen sah seiner Frau an, dass sie einen ähnlichen Stich im Herzen verspürte wie er. Sie konnte gar nicht anders, als Arias Wunsch zu erfüllen.
Ihm kam das sehr zupass.
*
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Frau und Tochter schliefen, widmete Yugen sich erneut dem Terminal.
Bald stieß er an seine Grenzen. Zwar gab es reichlich allgemeines Datenmaterial über die
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